Evolutionsfaktoren

Mutation

Eine Mutation ist die dauerhafte Veränderung des Erbguts. Mutationen können spontan (z. B. durch Replikationsfehler), chemisch (z. B. durch mutagene Chemikalien) oder physikalisch (z. B. durch UV-Strahlung) entstehen.
Obwohl die meisten Mutationen neutral oder schädlich sind, können einige vorteilhafte Auswirkungen haben. Diese vorteilhaften Mutationen können neue Merkmale hervorbringen, die die reproduktive Fitness dieser Organismen erhöht. Die Selektion nach vorteilhaften, neuen Merkmalen führt zu evolutionären Veränderungen.
Mutationen spielen eine entscheidende Rolle bei der Anpassung von Organismen an sich verändernde Umweltbedingungen. Genetische Vielfalt ermöglich einer Population eine größere Bandbreite an Möglichkeiten zur Bewältigung neuer Herausforderungen. Somit treiben Mutationen den Prozess der Anpassung und Diversifizierung von Lebensformen voran.

Selektion

Selektion ist ein zentraler Evolutionsfaktor, der auf die genetische Vielfalt wirkt. Durch Selektion werden Merkmale begünstigt, die Organismen besser an ihre Umwelt anpassen und somit ihre Überlebenschancen erhöhen. Positive Selektion fördert vorteilhafte Merkmale, während negative Selektion nachteilige Merkmale reduziert. Dieser Prozess führt zur Anpassung von Populationen an ihre spezifischen Lebensräume.

Selektionsfaktoren

Selektionsfaktoren beeinflussen den Fortpflanzungserfolg und die reproduktive Fitness eines Individuums. Abiotische Selektionsfaktoren stammen aus der unbelebten Natur, wie Temperatur oder pH-Wert. Biotische Selektionsfaktoren entstehen durch andere Lebewesen, sei es derselben Art (intraspezifisch) oder anderer Arten (interspezifisch). Zum Beispiel kann angepasste Färbung die Überlebenschancen von Beutetieren erhöhen, während Konkurrenz um Ressourcen oder Sexualpartner innerhalb einer Population selektiert.
baden württemberg bio basiswissen evolutionsfaktoren selektion selektionsfaktoren
Abb. 1: Selektionsfaktoren

Selektionsformen

Stabilisierende Selektion entfernt extrem ausgeprägte Merkmale aus der Population. Bei der transformierenden Selektion werden Individuen mit zu starken oder zu schwachen Merkmalen eliminiert. In manchen Populationen sind Tiere mit extremen Merkmalen erfolgreicher als die mittlere Variante, was auf eine aufspaltende oder disruptive Selektion hinweist.
  • stabilisierende Selektion
    baden württemberg bio basiswissen evolutionsfaktoren selektion
  • transformierende Selektion
    baden württemberg bio basiswissen evolutionsfaktoren selektion
  • aufspaltende oder disruptive Selektion
    baden württemberg bio basiswissen evolutionsfaktoren selektion

Isolation

Isolation tritt auf, wenn sich Individuen einer Art nicht mehr sexuell fortpflanzen können. Infolgedessen findet kein genetischer Austausche statt, was als reproduktive Isolation bezeichnet wird. Reproduktive Isolation kann vor der Befruchtung (präzygotisch) oder nach der Befuchtung (postzygotisch) erfolgen, und bildet die Grundlage der Artbildung.
  • Mechanische Isolation: Der Bau der Geschlechtsorgane zweier Individuen weicht so stark voneinander ab, dass diese sich nicht fortpflanzen können.
  • Zeitliche Isolation: Die Aktivitäts- und Fortpflanzungszeiten zweier Individuen unterschieden sich, sodass es nicht zu Paarung kommt.
  • Geografische Isolation: Landschaftliche Barrieren verhindern ein Zusammentreffen zweier Populationen.
  • Ökologische Isolation: Individuen sind voneinander getrennt, da sie verschiedene ökologische Nischen in einem Gebiet besetzen.
  • Ethnologische Isolation: Bestimmte Verhaltensmuster (wie beispielsweise Balzverhalten) können nur von Individuen der eigenen Art richtig interpretiert werden.
  • Gametische Isolation: Die Chromosomenzahl der Gameten zweier Arten weichen voneinander ab, sodass die Nachkommen entweder nicht lebensfähig sind, oder selbst keine fruchtbaren Nachkommen erzeugen können.

Gendrift

Gendrift ist ein bedeutender Evolutionsfaktor, der die genetische Vielfalt von Populationen beeinflusst. Im Gegensatz zur natürlichen Selektion, die auf die Anpassung an Umweltbedingungen oder die Fitness bestimmter Merkmale abzielt, ist Gendrift ein zufälliger Prozess, der durch Schwankungen in der Allelfrequenz innerhalb einer Population entsteht.
Darüber hinaus kann Gendrift dazu beitragen, genetische Differenzierung zwischen Populationen zu fördern und somit zur Entstehung von Artenvielfalt beitragen.
  • Flaschenhalseffekt
    Ein wichtiger Mechanismus des Gendrifts ist der Flaschenhalseffekt, der auftritt, wenn eine Population dramatisch dezimiert wird, sei es durch Umweltkatastrophen, Habitatverlust oder menschliche Eingriffe. In solchen Fällen können nur wenige Individuen überleben und eine neue Population gründen, was zu einer drastischen Reduzierung der genetischen Vielfalt führt. Die Allelfrequenzen in der neu gegründeten Population können stark von denen der ursprünglichen Population abweichen.
    Beispiel
    baden württemberg bio basiswissen gendrift flaschenhalseffekt
    Abb. 3: Mechanismus des Flaschenhalseffekts
  • Gründereffekt
    Ein weiterer Mechanismus ist der Gründereffekt, bei dem eine kleine Gruppe von Individuen eine neue Population gründet, sei es durch Migration oder Kolonisation neuer Gebiete. Auch hier können die Allelfrequenzen in der Gründerpopulation von denen der ursprünglichen Population abweichen, was zu genetischer Differenzierung und möglicherweise sogar zu neuen Arten führen kann.
    Beispiel
    baden württemberg bio basiswissen evolutionsfaktoren gendrift gründereffekt
    Abb. 4: Mechanismus des Gründereffekts

Rekombination

Die sexuelle Fortpflanzung führt zu unterschiedlichen Nachkommen, da mehrere Faktoren wirken. Einerseits produziert ein diploider Organismus viele verschiedene Keimzellen. Andererseits findet bei der Befruchtung eine Rekombination der Chromosomen statt. Dabei entstehen neue Allelkombinationen, was die genetische Vielfalt erhöht. Diploide Organismen besitzen zwei Chromosomensätze im Zellkern, wobei die homologen Chromosomen jeweils verschiedene Allele tragen können. Durch diesen Umstand steigt die genetische Variabilität. Bei der Keimzellbildung werden haploide Ei- oder Spermienzellen mit nur einem Chromosomensatz gebildet. Während der Meiose werden die Chromosomensätze reduziert, wobei sich die homologen Chromosomen zufällig auf die Keimzellen verteilen. Dies führt zu einer enormen Anzahl möglicher Chromosomenkombinationen in den Keimzellen. Beim Menschen, der 23 Chromosomenpaare hat, könnten theoretisch über 8 Billionen verschiedene Keimzellen gebildet werden. Die Rekombination sorgt somit für eine enorme genetische Vielfalt der Nachkommen.
Intrachromosomale Rekombination
Durch den Austausch von Allelen zwischen homologen Chromosomen wird diese Variabilität stark erhöht. Während der Prophase I der Meiose kommt es zur Bildung des synaptischen Komplexes, bei dem sich zwei homologe Chromosomen eng zusammenlagern. Dabei können Stücke von Nichtschwester-Chromatiden überkreuzen, an einer Stelle brechen und zwischen den Chromosomen ausgetauscht werden. Dieser Prozess, bekannt als Crossing-Over, ermöglicht einen genetischen Austausch zwischen den Chromosomen und trägt zur Schaffung neuer Allelkombinationen bei, was die genetische Vielfalt innerhalb der Keimzellen und letztendlich der Nachkommen weiter erhöht.