Aufgabe 4
Textbezogenes Schreiben: Erörterung pragmatischer Texte
Thema: Paul Sailer-Wlasits (* 1964): Die Metastasen des Hasses (2019) Aufgabenstellung:- Stelle den Argumentationsgang des Textes Die Metastasen des Hasses dar und erläutere die Intention des Textes.
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- Erörtere die vom Autor vorgeschlagenen Möglichkeiten des Umgangs mit Hassrede. Beziehe die im Text entfalteten Perspektiven auf Hassrede ein.
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Die Versprachlichung von Hass ist kein neues Phänomen. Wie epidemisch sich Hass-
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reden verbreiten, hingegen schon. Was läge daher näher, als einen Prozentsatz jener
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staatlichen Mittel, die weltweit für den digitalen Wandel bereitstehen, in die Humani-
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sierung des digitalen sprachlichen Miteinanders zu investieren?
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Anstatt die Hasssprache aber systematisch und global zurückzudrängen, werden mit
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unzulänglichen Ressourcen nationale und regionale Scharmützel ausgefochten.
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Diffuse Plattformregeln samt überforderten Moderatorinnen sperren auf Social-
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Media-Plattformen Satire-Accounts, während Menschenfeinde weitersenden dür-
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fen. Politikerinnen werden aufs Übelste beleidigt – und Gerichte bewerten das als
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legitime Meinungsäußerung. Und hat das Netzwerkdurchsetzungsgesetz in Deutsch-
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land eigentlich irgendetwas Substanzielles durchgesetzt?
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Hassreden waren und sind sprachliche Schatten der menschlichen Kulturgeschichte.
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Erst vor wenigen Jahrzehnten, als der Zivilisationsprozess bereits weit fortgeschritten
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schien, geriet die Sprache in den monströsen Würgegriff von Totalitarismen. Der
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schrecklichsten aller Menschheitskatastrophen ging eine Deformation der Sprache zu
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hassverzerrtem, rassistischem Wortgut voran.
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Die verrohte Diktion der NS-Diktatur zerschlug die Sprache des Deutschen Idealismus.
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Verbale Umcodierungen und Hasssprache durchsetzten den Alltag. Auf derartiger
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sprachlicher Kontamination, auf solchen toxischen Resten von ethnisch und religiös
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herabwürdigendem Vokabular gründet die Hassrede unserer Tage.
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Die Sprache des Hasses bewirkt einen Zusammenbruch der Symmetrie bestehender
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Verhältnisse der Anerkennung. Sprachliche Grenzen werden bedenkenlos übertre-
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ten, inhumane Sprachentgleisungen destabilisieren den Diskurs, es triumphiert der
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rhetorische Effekt.
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Und: Hasssprache metastasiert und richtet sich – etwa aus rechtsextremer Sicht –
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nicht nur gegen jene Menschen, die angeblich das Abendland und die je eigene
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monokulturell definierte Nation von außen bedrohen, sondern auch gegen jene, die
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sich als „Verräter am Volk“ für die Schutzsuchenden engagieren. Hassreden sind bei
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Weitem nicht der einzige Grund für die Ereignisse in Chemnitz, in Halle oder den Tod
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von Walter Lübcke. Doch es wäre ebenso naiv zu behaupten, ein von zahllosen
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sprachlichen Übertretungen geprägter Alltag hätte keine vorbereitende Wirkung für
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Handlungen, in denen die Tat das Wort überschreitet.
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Dort, wo Sprachhandlungen beginnen, zur Verletzungsgefahr durch Sprache zu wer-
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den, brechen Konkurrenzverhältnisse auf zwischen dem Recht auf freie Meinungs-
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äußerung und dem Gebot des Schutzes der Menschenwürde. Ethik und Moral grün-
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den auf der Anerkennung zwischenmenschlicher Grenzen. Das gegenwärtige Prob-
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lem: Wie verständigt man sich noch über die Grenzen, wenn selbst die US-Adminis-
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tration Social Media als Massenverbreitungswaffe nutzt? Und wer soll dann noch
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über die Einhaltung der Grenze wachen?
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Anstatt das First Amendment einem sanften juristischen Facelifting zu unterziehen,
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sind die USA und der größte Teil ihrer Staatsbürger stolz auf ihren in die Jahre ge-
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kommenen Verfassungszusatz aus 1791, in welchem die freie Rede vor Einschränkun-
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gen geschützt wird. Von einigen Ausnahmen, wie etwa der direkten sprachlichen Be-
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drohung anderer abgesehen, besitzt Free Speech in den USA eine nahezu unum-
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schränkte Sonderstellung. Eine aus der Perspektive des europäischen Kultur- und Ge-
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schichtsverständnisses kaum verdauliche Attitüde.
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Unter diesen Voraussetzungen werden sprachliche Sonderdeformationen möglich,
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sogar offene politische Lügen können jederzeit unter dem Deckmantel der freien Re-
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de zu „Diskussionsbeiträgen“ und „Meinungen“ emporgehoben werden. Jedwede Ex-
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tremposition kann als „demokratische Partizipation“ bedenkenlos in den Diskurs infil-
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triert werden – und längst gibt es auch in Europa populistische Kräfte, die vorgescho-
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bene Bedenken, hinter die USA freiheitlich zurückzufallen, nutzen, um Unsagbares
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sag- und sendbar zu machen.
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Dabei ist auch zu beobachten, wie schleichend das Gift des Verbalradikalismus wirkt:
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Bereits bevor die Sprache rhetorisch umschlägt und in veränderter Wort- und Satz-
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semantik sichtbar wird, also in offen rassistischer, herabwürdigender oder gewalt-
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legitimierender Sprache, existiert bereits die Intention eines sprachlichen Miss-
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brauchs. Überall dort, wo Sprache den Modus des Allgemeinen verlässt und in einen
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„Modus der Anrede“ (Judith Butler) wechselt, kann Hasssprache entstehen. Sobald
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der Sprechende beginnt, sein Gegenüber zu bestimmen und auf bestimmte Identi-
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täten festzulegen, übertritt er eine bedeutsame Grenze. Letztlich fehlt nur noch die
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explizite Herabwürdigung und das Definieren des Anderen als Gefahr für das je Eige-
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ne, damit definitiv Verletzungsgefahr besteht – sei es durch Sprache (zunächst) und
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physisch (in der Folge).
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Der Übergang vom Wort zur Tat bleibt jedoch ein qualitativer Sprung. Dieser ist nicht
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aus einer einzigen Ursache herleitbar, sondern entspricht Vorgängen von sich gegen-
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seitig verstärkenden Sprechakten, kumulativen Wirkungen von Sprachhandlungen,
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aus semantischen Auf- und Überladungen und aus daraus ableitbaren Handlungs-
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anweisungen. Der latente Hass wird durch die Sprache aufgeweckt, er wird manifest
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und immer weiter gesteigert bis zu seiner Entladung, denn eines kann die Hass-
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sprache ja eben nicht: sich selbst mäßigen und disziplinieren.
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Langfristig ist die Investition in politische Bildung die wirksamste und günstigste Prä-
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ventivmaßnahme gegen Hassrede – allerdings jene Form der geistigen Festigung, die
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von humanistischen Werten durchdrungen ist und weder der verbalen Ausgrenzung
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noch der Perfidie rhetorischer Entgrenzung dient.
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Mittelfristig wären behutsame gesetzliche Regelungen und deren Kontrolle wün-
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schenswert. Aber Vorsicht: Das Risiko der Beschädigung von Meinungsfreiheit ist be-
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trächtlich, wenn staatliche Organe darüber entscheiden, ob Hasssprache vorliegt,
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oder auch, ob (etwa von einer Social-Media-Plattform) systematisch Hass und Lügen
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verbreitet werden. Entscheiden Rechtsprechende dann basierend auf ihrer subjek-
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tiven Lesetradition und Bildung oder etwa auf der Grundlage von Checklisten da-
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rüber, was Hassrede ist? Und was davon wäre uns künftig lieber? Überhaupt: Können
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einzelne Richter darüber entscheiden, wie verletzend verbale Aggression auf eine
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konkrete Person (mit ihrer individuellen Vorgeschichte) in einer bestimmten Situa-
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tion gewirkt hat? Oder bedarf es dafür mindestens einer Hass-Jury samt Sachverstän-
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digen?
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Kurzfristig wäre die Vorbildfunktion von Politikern, Medien und all jenen Menschen
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von eminenter Bedeutung, die als gesellschaftliche Multiplikatoren wirken. Vorbild-
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wirkung ist im Unterschied zu staatlicher Repression kostenlos. Nicht erst die nächste
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Legislaturperiode, sondern bereits die nächste Parlamentsrede und der nächste
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Wahlkampf bieten Gelegenheit zu verbaler Deeskalation im Sinne politischer Sprach-
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kultur. Gleichzeitig weist dieser Vorschlag auch schon auf eine Schwäche der Heran-
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gehensweise: Es macht Hassrede ja gerade so attraktiv für bestimmte Charaktere,
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dass sie – anders als zurückgenommene Sprache – Aufmerksamkeit erzeugt. Die
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kultivierte Gegenrede ist stets argumentierend, begründend und erklärend, daher ist
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und bleibt sie rhetorisch-wirkungspsychologisch im Nachteil gegenüber der kurzen,
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scharfen, schneidenden Hassrede.
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Gerade weil Hasssprache aufgrund vielfältigster Ursachen entsteht, greifen ein-
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dimensionale Lösungsansätze – wie bei allen komplexen Problemen – zu kurz. Weder
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die Strafrechtsverschärfung allein noch einzelne Präventivmaßnahmen werden das
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vielgestaltige Phänomen unter Kontrolle bringen. Nur das Zusammenwirken von
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lang-, mittel- und kurzfristigen Maßnahmen kann, wie ein komplementärer Therapie-
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ansatz, die Hassrede in ihrer Gesamtheit erfassen, fixieren und allmählich auf ein
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sozial erträgliches Maß eindämmen. Das klingt sperrig und wird anstrengend – denn
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die Hassrede wird sich mit Verweis auf die (falsch verstandene) Freiheit gegen jede
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Maßnahme zu immunisieren versuchen. Doch ohne alle erdenklichen Schritte und
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Manöver entfaltet sie schon bald ihr ganzes zerstörerisches Potenzial.
Paul Sailer-Wlasits ist ein österreichischer Autor, Sprachphilosoph und Politikwissenschaftler. Veröffentlicht am 31.12.2019 unter: Metastasen des Hasses; (zuletzt abgerufen: 22.11.2022)
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Einleitung
- Der Text Die Metastasen des Hasses aus dem Jahr 2019 stammt von Paul Sailer-Wlasits und wurde im Rahmen der Zeitung Die Zeit veröffentlicht.
- Der Autor porträtiert das Phänomen Hasssprache, dessen Ausbreitung in der Gesellschaft und thematisiert die Auswirkungen der Hasssprache im Kontext der Digitalisierung. Ebenfalls diskutiert und reflektiert er verschiedene Ansätze und Maßnahmen zur Eindämmung der Hasssprache.
Hauptteil
- Laut Paul Sailer-Wlasits haben wir es heutzutage mit einer verstärkten Ausbreitung der Hasssprache zu tun (Vgl. Z. 1f.). Er sieht Korrelationen zwischen diesem Phänomen und dem heutigen Zeitalter der Digitalisierung und schlägt vor, dass „staatliche Mittel, die weltweit für den digitalen Wandel bereitstehen“ (Z. 3 f.) zur „Humanisierung des digitalen sprachlichen Miteinanders“ (Z. 3 f.) genutzt werden könnten. Den aktuell diskutierten Maßnahmen und Mitteln gegen die Versprachlichung von Hass u. a. der bloßen Sperrung von Accounts oder dem „Netzwerkdurchsuchungsgesetz“ (Z. 10) steht der Autor jedoch kritisch gegenüber (Vgl. Z. 5-11). Anstelle von umfangreichen Ansätzen zur Eindämmung stehen regionale und nationale Herausforderungen im Vordergrund (Vgl. Z. 5 f.).
- Bei der zeithistorischen Einordnung der Hassrede fällt auf, dass die Versprachlichung von Hass im Dritten Reich besonders von totalitärer Herrschaft geprägt war (Vgl. 17-23). Der Autor macht kritisch deutlich, dass die Hassrede von heute auf „toxischen Resten von ethnisch und religiös herabwürdigendem Vokabular“ (Z. 19 f.) aus der Geschichte basiert und warnt vor einem „Zusammenbruch der Symmetrie [in] der Anerkennung“ (Z. 21). Damit meint Sailer-Wlasits, dass die respektvolle Anerkennung in der zwischenmenschlichen Kommunikation und Interaktion durch die Hassrede gestört werden könnte.
- Weiterhin stellt Sailer-Wlasits fest, dass sich Hassreden neben Menschen, die als Bedrohung gesehen werden, auch gegen diejenigen Menschen richtet, „die sich [...] für die Schutzsuchenden engagieren“ (Z. 16 f.). Außerdem betont er anhand von Beispielen („die Ereignisse in Chemnitz, Halle oder den Tod von Walter Lübcke“, Z. 27 f.), dass Hassreden als eine der Ursachen für rechtsextremistische Ereignisse zu sehen sind (Vgl. Z. 27 ff.).
- Im nächsten Abschnitt thematisiert der Autor den Konflikt zwischen „dem Recht auf freie Meinungsäußerung und dem Gebot des Schutzes der Menschenwürde“ (Z. 32 f.) und stellt die Unterschiede zwischen der Bedeutung von Meinungsfreiheit in den USA und in anderen kulturellen Kontexten, insbesondere im Kontext der Sozialen Medien, dar (Vgl. Z. 34 f.). Er hinterfragt, wie man angesichts der Verwendung von „Social Media als Massenverbreitungswaffe“ (Z. 35 f.) überhaupt noch angemessene Grenzen bewahren kann (Vgl. Z. 34 ff.). Mit Sorge und Unverständnis blickt er auf die Auffassung der uneingeschränkten Meinungsfreiheit in den USA und betont, dass das sogenannte „First Amendement“ (Z. 37) an die kommunikativen Herausforderungen der aktuellen Zeit angepasst werden sollte (Vgl. Z. 37 ff.). Somit könnte man sprachlichen Verzerrungen im gesellschaftlichen und politischen Diskurs entgegenwirken (Vgl. Z. 44 ff.). Diese ernst zu nehmende Dynamik lässt sich jedoch nicht nur in den USA, sondern auch innerhalb von Europa beobachten, wie der Autor deutlich macht (Vgl. Z. 47 ff.).
- Nachfolgend wird die Entstehung von Hasssprache dargestellt (Vgl. Z. 50-66). Der Prozess, den der Autor als „Verbradikalismus“ (Z. 50) bezeichnet, vollzieht sich schleichend und beginnt einige Zeit „bevor die Sprache rhetorisch umschlägt und in veränderter Wort- und Satzsemantik sichtbar wird“ (Z. 51 f.). Sailer-Wlasits zitiert die US-amerikanische Philosophin Judith Butler, um zu erklären, dass Hasssprache genau dann entsteht, wenn „Sprache den Modus des Allgemeinen verlässt und in einen ‚Modus der Anrede‘ wechselt.“ (Z. 53) Die minimalen sprachlichen Verschiebungen innerhalb der Kommunikation miteinander sorgen auf Dauer dafür, dass der Hass normalisiert wird (Vgl. Z. 60-66).
- Anschließend erörtert Sailer-Wlasits verschiedene Lösungsansätze und präventive Maßnahmen, um das Problem der Hassrede effektiv anzugehen (Vgl. Z. 67-90). Eine langfristige, kostengünstige und gleichzeitig die wirkungsvollste Strategie zur Eindämmung von Hasssprache ist die „Investition in politische Bildung“ (Z. 67 f.). Diese sollte jedoch „von humanistischen Werten durchdrungen“ (Z. 69) sein „und weder [zur] verbalen Ausgrenzung noch [zur] Perfidie rhetorischer Entgrenzung“ (Z. 69 f.) genutzt werden.
- Als mittelfristige Lösung wären „Regelungen und deren Kontrolle“ (Z. 71) durch die gesetzgebende Instanz erstrebenswert. In diesem Kontext warnt er jedoch vor einer möglichen Einschränkung der Meinungsfreiheit und hinterfragt grundsätzlich, ob bspw. ein Richter überhaupt in der Lage wäre, eine angemessene Beurteilung darüber, was in die Kategorie von Hassrede fällt oder nicht, zu leisten (Vgl. Z. 72-80). Die Umsetzung in die Praxis stellt einen hier vor wiederum neue Schwierigkeiten. Die jeweiligen Motive und Geschichten der Menschen sind äußerst individuell und subjektiv zu betrachten (Vgl. Z. 76-80).
- Abschließend betont der Autor die wichtige Vorbildwirkung von Politikern und den Medien, um einer „verbale[n] Eskalation im Sinne politischer Sprachkultur“ (Z. 85) präventiv entgegenzuwirken. Gesellschaftliche Multiplikatoren sollten sich ihrer enormen Vorbildkraft bewusst sein und damit positive Veränderungen in der Gesellschaft bewirken (Vgl. Z. 81-85). Jedoch weist der Autor auch auf eine mögliche Schwäche dieser Strategie hin. „Kultivierte Gegenrede“ (Z. 88) erfordert im Gegensatz zur weniger komplexen Hassrede mehr Zeit, um langfristig und nachhaltig auf die Person zu wirken (Vgl. Z. 88 ff.). Die enorme Wirkungskraft der Hassrede ergibt sich durch die Aufmerksamkeit, die sie erzeugt (Vgl. Z. 86 ff.).
- Am Schluss des Textes ruft der Autor seine Leserschaft dazu auf, sich der Komplexität der Hasssprache sowie ihrem „zerstörerische[n] Potenzial“ (Z. 99) bewusst zu sein. Dementsprechend sollten auch mögliche Strategien zur Eindämmung dieses Problems die enorme Vielschichtigkeit der Hassrede berücksichtigen (Vgl. Z. 94 ff.).
- Die generelle Intention des Textes ist somit, vor der größer werdenden Gefahr, die von Hassreden ausgeht, zu warnen. Der Autor möchte seine Leserschaft dazu ermutigen, über Lösungsansätze nachzudenken, die der Komplexität des Problems gerecht werden. Ebenfalls fordert er dazu auf, die gewaltfreie Kommunikation entschieden zu stärken.
Fazit
- Der Text beschäftigt sich mit dem Phänomen der Hassrede, seinen historischen Wurzeln und Auswirkungen im heutigen Zeitalter der Digitalisierung.
- Der Autor erkennt die Schwierigkeit der Definition und Regulierung von Hassrede und plädiert für eine ganzheitliche Herangehensweise, die im besten Fall kurz-, mittel- sowie langfristige Maßnahmen miteinander kombiniert.
- Der Titel des Textes trägt eine metaphorische Bedeutung. Der Autor unterstreicht damit die aggressive und unkontrollierte Verbreitung der Hassrede.
Zweite Teilaufgabe
Einleitung
- Paul Sailer-Wlasits möchte in seinem Text vor den verheerenden Konsequenzen der Hassrede warnen und stellt unterschiedliche Strategien zur Bekämpfung dieses Problems dar.
- In der folgenden Erörterung sollen die vom Autor vorgeschlagenen Möglichkeiten zum Umgang mit der Hassrede genauer beleuchtet und kritisch hinterfragt werden.
- Da die Einschätzung der komplexen Argumente von Sailer-Wlasits unterschiedlich ausfallen kann, sollen sowohl zustimmende als auch ablehnende Argumente konstatiert werden.
Hauptteil
Zustimmende Argumente- Der Autor empfiehlt, langfristig in politische Bildung zu investieren. Somit könnte man das Problem der Hassrede besser eingrenzen, definieren und die Bürger*innen vor sprachlichen Verzerrungen warnen, indem ihnen Strategien aufgezeigt werden, wie Hassrede erkannt wird und worin der Unterschied zwischen bspw. Hassrede und „Fake News“ oder auch „Cybermobbing“ liegt. Einer gut aufgeklärte Gesellschaft würde der Umgang mit der Hassrede deutlich leichter fallen. Die Betonung humanistischer Werte könnte einen wichtigen Beitrag zu einem kommunikativen Miteinander leisten, die Grundpfeiler einer Gesellschaft wie Toleranz und Empathie sowie das Gemeinschaftsgefühl stärken und zwischenmenschliche Spannungen reduzieren. Politische Bildung sollte dabei auch über die psychischen Verletzungen durch Hassrede aufklären.
- Die mittelfristige Maßnahme des Autors würde dabei helfen, Extremismus besser zu kontrollieren und dafür zu sorgen, dass die Kommunikation im Netz respektvoller abläuft. Der Rechtsstaat hat einerseits die Aufgabe, seine Bürger*innen zu schützen und sie bspw. vor Beleidigung und Nötigung zu bewahren, andererseits Straftaten im Netz juristisch zu verfolgen. Zusätzlich könnte ein möglicher Kriterienkatalog darüber, was unter Hassrede fällt und was nicht, dafür sorgen, den subjektiven Entscheidungsspielraum zu minimieren.
- Aus der Wissenschaft (Bsp.: Sozial-Kognitive Lerntheorie) geht hervor, dass Vorbilder einen enormen Einfluss auf unser Denken und Verhalten haben. Sie können die Menschen für ein respektvolleres Kommunizieren sensibilisieren, demokratische Werte stärken und dazu ermutigen, für ein faires Miteinander im Netz einzustehen sowie Mitmenschen beizustehen, die bspw. online angegriffen werden. Den Fokus auf erklärungsbasierte Gegenrede zu lenken, könnte dafür sorgen, dieser Art von konstruktiver Rede einen wichtigen Platz im gesellschaftlichen Diskurs zu geben. Dazu könnten auch Vorbilder einen Beitrag leisten. Das Soziale Netzwerk Instagram versucht bereits Hassrede einzudämmen, indem bspw. Kommentare und Direct Messages gefiltert und verdächtige Konten blockiert werden.
- Politische Überlegungen allein reichen nicht aus, um das Problem der Hassrede nachhaltig in den Griff zu bekommen. Auch individuelle Bedingungen spielen u. a. eine wichtige Rolle. Bei der effektiven Vermittlung von gemeinschaftlichen Werten und deren Definition mangelt es womöglich an der praktischen Umsetzbarkeit. An dieser Stelle könnten sich einige Unstimmigkeiten ergeben. Die Sorge vor der Einschränkung der Meinungsfreiheit ist ebenfalls durchaus ernst zu nehmen. Durch die mögliche Entscheidung über die Definition von Hassrede von oben herab könnte sich nicht nur ein Potenzial für Kontroversen, sondern auch für möglichen Missbrauch dieser Macht ergeben. Ebenfalls kann angeführt werden, dass die Hasssprache als überspitztes Problem dargestellt wird und weniger als Schwierigkeit angesehen werden sollte, sondern als neue Form digitaler Kommunikation, die im Zeitalter der Digitalisierung akzeptierend angenommen werden sollte. Außerdem darf man nicht vergessen, dass zwischen der realen und der digitalen Welt Unterschiede bestehen und gewalttätige Kommunikation gehäuft im Internet auftritt, da dort anonymer kommuniziert werden kann.
- Auch gesetzliche Regelungen könnten zu einer Einschränkung der Meinungsfreiheit führen und hinsichtlich der Definition von Hassrede sowie der unterschiedlichen Meinungen der Rechtsprechenden weiterhin zu willkürlichen Entscheidungen führen. Das Vornehmen von Kontrollen auf Plattformen könnte eine technische Herausforderung sein und ist in der Praxis wahrscheinlich nur sehr schwer umsetzbar, da sich immer wieder Schlupflöcher bilden können. Es stellt sich grundsätzlich die Frage, ob es einer Regulierung bedarf (Gefahr einer möglichen Überregulierung), wenn wir als Gesellschaft doch eigentlich der funktionierenden Demokratie, die ernst zu nehmende Probleme sprachlicher Gewalt bekämpft, unser Vertrauen schenken sollten.
- Gegen die Vorbildwirkung spricht die Gefahr einer möglichen Nachahmung, Unselbstständigkeit und Abhängigkeit, die sich bspw. ohne die Reflexion des Vorbildverhaltens ergeben kann (z. B. die Vorbildwirkung von Influencern). Weiterhin spricht dagegen, dass gesellschaftliche Vorbilder nicht immer alle Menschen gleichzeitig erreichen und beeinflussen können. Außerdem kommt die eigentliche Intention bspw. eines Politikers womöglich bei seinen Zuhörern ganz anders an als geplant. Ebenfalls ist der politische Diskurs hauptsächlich vom Wettbewerb geprägt. Die Politiker haben das Ziel, von sich und den eigenen Ansichten zu überzeugen und Anhänger zu gewinnen. Es wird schwierig sein, die Politiker dazu zu bewegen, ihre Kommunikation oder ihr Verhalten nachhaltig zu ändern. Je nach Kontext sorgt Hassrede (z. B. aggressive Rhetorik in politischen Diskursen) für mehr Aufsehen und für eine emotional stärkere Wirkung bei den Menschen als eine gut begründete und erklärte Gegenrede.
Schluss
- Der Autor macht deutlich, dass Hassreden eine destabilisierende Wirkung auf den gesellschaftlichen und politischen Diskurs haben. Wie so oft geht es auch in dieser Debatte um den Konflikt zwischen dem Erhalt der individuellen Meinungsfreiheit und dem Schutz der Allgemeinheit.
- Hasssprache ist kein unbedenkliches Phänomen. Es reicht von sozialen und politischen Spannungen bis hin zu individuellen Ängsten und psychischen Problemen. Der Gebrauch von Hasssprache kann zu einer Verschärfung von Konflikten, Diskriminierung und Gewalt führen. Hasssprache ist in einem breiteren Kontext von gesellschaftlichen Dynamiken verankert und sollte nicht ausschließlich isoliert betrachtet werden.
- Die Erörterung zeigt, wie komplex der Umgang mit respektvoller Kommunikation ist und dass jeder die Verantwortung trägt, einen Beitrag zur friedlichen Kommunikation zu leisten. Insbesondere gesellschaftlichen Institutionen wie Schule oder Universität wird dabei eine wichtige Rolle zuteil.