Aufgabe 1
Textbezogenes Schreiben: Erörterung literarischer Texte
Thema: Thomas Mann (* 1875 - † 1955): Mario und der Zauberer (1929) Aufgabenstellung:- Die Literaturwissenschaftlerin Regine Zeller stellt in ihrer Interpretation der Novelle Mario und der Zauberer von Thomas Mann folgende These auf: „Die Widerstands- und Machtlosigkeit des Erzählers, seine eigene Beeinflussbarkeit angesichts von Cipollas schrecklichen Kunststücken, liefert einen wichtigen Ansatzpunkt für die Interpretation der Novelle als eines politischen Textes.“ (Aus: Regine Zeller: Cipolla und die Masse. Zu Thomas Manns Novelle Mario und der Zauberer. St. Ingbert 2006, S. 97)
- Erörtere diese These vor dem Hintergrund deiner Textkenntnis und belege deine Anführungen dabei am Text der Novelle Mario und der Zauberer von Thomas Mann.
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Hier geht's zur Lektürehilfe Mario und der Zauberer
Einleitung
- Mario und der Zauberer ist eine Novelle von Thomas Mann, die 1930 veröffentlicht wurde. Das Werk, welches in den 1920er Jahren spielt, handelt von einem fiktiven tragischen Reiseerlebnis einer deutschen Familie in Italien. Der Ich-Erzähler und seine Familie besuchen eine Zaubershow, in der der Zauberer Cipolla sein Publikum durch hypnotische Fähigkeiten beeinflusst und manipuliert. Die Novelle endet in einer Katastrophe.
- Die vorliegende These der Autorin Regine Zeller aus ihrem Werk Cipolla und die Masse. Zu Thomas Manns Novelle Mario und der Zauberer aus dem Jahr 2006 wird im Folgenden zunächst erläutert. In einem zweiten Schritt soll erörtert werden, inwiefern sich die These auf die Novelle Mario und der Zauberer von Thomas Mann anwenden lässt.
Hauptteil
Erläuterung der These
- In der These wird zunächst angesprochen, dass die Figur des Erzählers gegenüber den Manipulationen des Zauberers Cipolla machtlos, ohnmächtig und widerstandslos zu sein scheint. Das bedeutet, dass sich der Erzähler nicht aktiv gegen die schrecklichen Handlungen wehren kann, ihnen komplett ausgeliefert ist und in seiner Passivität verharrt.
- Damit verbunden ist auch die Beeinflussbarkeit des Erzählers durch die Handlungen des Zauberers.
- In ihrer letzten Teilaussage schlägt Regine Zeller vor, dass die beiden Aspekte Widerstandslosigkeit und Beeinflussbarkeit als Schlüsselelemente betrachtet werden sollten, um die Novelle Mario und der Zauberer als politisches Werk zu verstehen.
- Aus Zellers These geht zum einen die Frage hervor, ob die Zuschreibungen des Erzählers, widerstands- und machtlos zu sein, überhaupt dem Text entspricht. Außerdem kann man sich zu Recht fragen, ob die Rezeption der Novelle als politische Erzählung dem eigentlichen Werk gerecht wird und inwiefern die charakterliche Disposition des Erzählers als Indiz tragfähig und dem Erzähltext angemessen ist, um diesen in einer politischen Lesart zu rezipieren.
Erörterung der These hinsichtlich des strittigen Aspekts, die Figur des Ich-Erzählers als widerstands- und machtlos sowie beeinflussbar zu charakterisieren:
Zustimmung- Bereits zu Beginn der Novelle Mario und der Zauberer offenbart der Ich-Erzähler seine ohnmächtige Selbstauslieferung gegenüber dem Zauberer und die damit verbundene Macht- und Widerstandslosigkeit, indem er Cipollas Erscheinung als „verhängnishaft“ (S. 9) und die damit verbundenen Gegebenheiten als „vorgezeichnet“ (S. 9) und somit unabwendbar beschreibt.
- Weiterhin nimmt der Erzähler den Tischverweis auf der Veranda des Restaurants (Vgl. S. 13-15) ohne Widerspruch oder Kritik hin, was auf seine Passivität hindeuten könnte. Der Erzähler hat, wie u. a. in dieser Textstelle deutlich wird, Schwierigkeiten, Widerstand zu leisten, weil er sich in einer von Manipulation und Angst geprägten Umgebung befindet.
- Beim Eklat um seine Tochter am Strand diskutiert oder argumentiert er nicht, sondern nimmt die Ächtung durch die italienischen Strandgäste sowie Maßregelung durch die Behörden bis hin zur Geldbuße widerstandslos mit „nachdenklichem Kopfnicken“ (S. 27) hin (Vgl. S. 25-29). Er nimmt die Schuld an der Situation sogar komplett auf sich und gibt zu, „die öffentliche Moral“ (S. 25 f.) verletzt zu haben.
- Ebenfalls offenbart der Erzähler indirekt seine eigene „Trägheit“ (S. 29) und Widerstandslosigkeit, da er trotz der angespannten Stimmung nicht abreisen möchte (Vgl. S. 29).
- Die Tatsache, dass er die Zaubershow von Cipolla und seine menschenverachtenden Darbietungen zwar als abstoßend empfindet und gerne gehen würde, aber zu stark vom Geschehen gefesselt ist und dem Zauberer regelrecht ausgeliefert ist, ist ebenfalls Ausdruck seiner Beeinflussbarkeit und Widerstandslosigkeit (Vgl. S. 76-79).
- Dieses Verhalten, welches der Erzähler selbst als unerklärlich bezeichnet, rechtfertigt er vor der Leserschaft u. a. durch die Verwendung des unpersönlichen Pronomens „man“ (S. 76-79) anstelle von „wir“ oder „ich“. Dazu zählt auch der Einsatz performativer Verben wie z. B. „ich gestehe“, „ich versichere“ oder „ich finde“ (S. 76 f.), die eine gewisse Verbindlichkeit und Verantwortung im Sprechakt selbst erzeugen. Auch die zahlreichen Fragen im Dialog mit dem Leser bringen die Unsicherheit und Ohnmacht des Ich-Erzählers deutlich zum Ausdruck.
- Der Erzähler beschreibt seine Gefühle und Skepsis gegenüber Cipolla als von „höchst gemischter Natur“ (S. 77) und kann sich mit der manipulierten Masse des Publikums identifizieren, was ebenfalls als nachträgliches Eingeständnis der eigenen Beeinflussbarkeit und Machtlosigkeit zu bewerten ist.
- Der Ich-Erzähler könnte sich ebenfalls durch eine ambivalente Widerstandsrolle auszeichnen. Das würde bedeuten, dass der Erzähler nicht zwangsläufig widerstandslos ist und seinem Widerstand zwar nicht offen und aktiv, sondern nur indirekt und in stiller Form Ausdruck verleiht. Nach dem Ärger im Hotel um den Keuchhusten seiner Kinder geht der Ich-Erzähler nicht auf Konfrontation mit dem Hotelpersonal, sondern möchte die angespannte Lage zunächst ruhig und bedacht klären. Anstatt in ein Nebengebäude umzuziehen, verlässt er mit seiner Familie das Hotel. Dies verdeutlicht zwar auch die Machtlosigkeit des Erzählers, drückt jedoch gleichermaßen auch die Missbilligung sowie eine Form des stillen Widerstands gegenüber den Vorurteilen und der erfahrenen Fremdenfeindlichkeit aus.
- Der Erzähler weiß, dass die politische Lage in Italien die Menschen beeinflusst und zur Ausgrenzung der Urlauber führt. Zum Teil gibt er spöttische Kommentare (z. B. „menschlicher Mediokrität“, S. 22) von sich. Auch die Tatsache, dass er sich nach der öffentlichen Empörung durch die nackte Tochter und trotz der ungerechten Sanktionierung der vermeintlichen Verletzung öffentlicher Moral nicht unterkriegen lässt und sich für seine Kinder einsetzt, zeugt von der intellektuellen und emotionalen Widerstandskraft des Ich-Erzählers.
- Außerdem ist der bewusste Verzicht auf Widerstand, Diskussion und Kritik statt als Ausdruck seiner Widerstandslosigkeit, vielmehr auf das geschickte Kommunikationsverhalten des Erzählers zurückführen, wie an seinen folgenden Worten deutlich wird: „Dem erhitzten Menschen widersprechen hätte zweifellos geheißen, von einem Fehler in den anderen fallen.“ (S. 27).
- Dass sich der Erzähler zunächst nicht aus seinem Urlaub vertreiben lassen möchte, „nur“ weil die momentane Stimmung angespannt ist, spricht für seine mutige und kämpferische Art (Vgl. S. 30).
- Ebenfalls erkennt er recht schnell, dass es sich bei Cipolla nicht um einen gewöhnlichen Zauberer handelt und stellt reflektierend fest, dass dieser mit Hypnose arbeitet und sich bewusst Menschen mit einem schwachen Willen aussucht. Das Zurückhalten des Erzählers, um möglichen Manipulationen zu entgehen, sowie die Anerkennung seiner Machtlosigkeit, sprechen für seinen emotionalen und intellektuellen Widerstand. Das könnte auch erklären, weshalb der Erzähler trotz seiner Zweifel die Zaubershow nicht verlässt. Er ist weniger von Cipollas Darbietungen selbst fasziniert, sondern zeichnet sich durch eine intellektuelle Neugier am Ungewöhnlichen und Ungewissen des menschlichen Verhaltens hinsichtlich Cipollas Zauberkünste und der Reaktionen des Publikums aus (z. B. S. 30, S. 45 f.).
Erörtern der These hinsichtlich des strittigen Aspekts, die Novelle als politischen Text zu interpretieren:
Zustimmung- Zunächst spricht die insgesamt fremdenfeindliche, aggressive und gereizte Grundstimmung in der Novelle dafür, das Werk als politischen Text zu interpretieren. Am Strand stellte der Erzähler fest, dass schon selbst die Kinder Opfer des Nationalismus geworden sind und seine eigenen Kinder deshalb auch ungerecht behandeln („es wimmelte am Strande von patriotischen Kindern“, S. 24). Die gereizte Stimmung im Land betitelt der Autor Thomas Mann als „Schreckensherrschaft der Sonne“ (S. 20) und spielt damit selbstverständlich auf die politische Herrschaft Mussolinis in Italien ab.
- Nationalsozialismus und Faschismus spielen eine vorrangige Rolle im Werk. Das Werk thematisiert deutlich den aufsteigenden Totalitarismus und den Missbrauch von Macht. Bei Thomas Mann handelt es sich um einen der prominentesten Gegner des Nationalsozialismus.
- Im Hotel erfährt der Erzähler mit seiner Familie Ausländerfeindlichkeit und darf nicht auf der Veranda sitzen (Vgl. S. 13).
- Ebenfalls ist ein häufiger Einsatz von politisch aufgeladenen Begriffen und Formulierungen im Werk festzustellen. So reden z. B. die Italiener „von der Größe und Würde Italiens“ (S. 25), Cipolla ebenfalls von der „Größe des Vaterlandes“ (z. B. S. 47), aber auch der Erzähler selbst spricht von einem „Flaggenzwist“ (S. 25) am Strand.
- Weiterhin lässt sich feststellen, dass die im Werk dargestellten patriotischen Italiener gegenüber fremden Urlaubern überreagieren, Diskussionen und Streitereien anzetteln (Vgl. S. 25) und sich extrem über die Nacktheit der Tochter des Erzählers empören, da dies laut ihnen einem Missbrauch der italienischen Gastfreundschaft oder vielmehr einem „Verstoß gegen die nationale Würde“ (S. 27) gleichkomme (Vgl. S. 27).
- Der Wetterumschwung könnte in Verbindung mit der Ankündigung von Cipollas Auftreten (S. 31 f.) und somit auch in Bezug mit dem aufsteigenden Faschismus in Europa stehen.
- Die Figur des Zauberers kann als Allegorie für einen autoritären Herrscher fungieren, der mit Hypnosetechniken sein Publikum und im übertragenden Sinne die gesellschaftlichen Massen verführt und manipuliert (z. B. S. 70f.). Zwischen der Figur des Zauberers und Mussolini, dem faschistischen Führer Italiens, sind einige Parallelen zu erkennen. Weitere Indizien wie der Nationalgedanke, die übertriebene Vaterlandsliebe sowie der Kollektivismus, die allesamt auf den Faschismus in Italien und den späteren Nationalismus in Deutschland hinweisen, lassen sich im Werk eindeutig finden („sie bildeten zusammen nur ein Prinzip, eine unauflösliche Einheit; wer zu gehorchen wisse, der wisse auch zu befehlen, und ebenso umgekehrt; der eine Gedanke sei in dem anderen einbegriffen, wie Volk und Führer ineinander einbegriffen seien“, S. 71).
- Gegen die These, die Novelle als politischen Text zu lesen, spricht zunächst das vielschichtige Figurenporträt des Zauberers Cipolla. Es ist nicht eindeutig, dass Cipolla ausschließlich als politisches Symbol dient. Die Darstellung von Cipolla als missgebildet, entstellt, äußerlich abstoßend sowie offensichtlich suchtkrank, gleichzeitig jedoch beherrscht und intelligent (Vgl. z. B. S. 38-42, 50f., 71f.), weist auf einen mehrdeutigen Charakter hin und geht weit über den politischen Kontext hinaus. So lässt sich festhalten, dass die Leserschaft mit einem autoritären Charakter im Allgemeinen und nicht spezifisch mit Mussolini und seiner Herrschaft konfrontiert wird. Dieser Eindruck verstärkt sich zusätzlich durch die Gegenüberstellung mit der unscheinbaren, aber misstrauischen und impulsiven Figur Mario, die Cipolla am Ende sogar erschießt (Vgl. z. B. S. 94-107).
- Weiterhin besitzt das Werk ausführliche Beschreibungen der italienischen Figuren (z. B. Frau Angiolieri oder der neutralen Figuren am Strand), die dem „einfachen Volk“ zugehören (S. 84-89). Das spricht dafür, dass die Novelle auch weitere Interpretationsansätze zulässt, die auf eine allgemein-menschliche bzw. moralische Ebene abspielen. Thomas Mann könnte seiner Leserschaft somit auch einen Einblick in ein gewöhnliches Gesellschaftsporträt geben. Eine konkrete politische Botschaft oder Parallelen zu politischen Figuren bleiben somit aus.
- Der Hauptfokus der Novelle könnte insbesondere im Hinblick auf die hypnotischen Fähigkeiten des Zauberers ebenfalls auf der individuellen Psyche und Dynamik liegen. Trotz vereinzelter politischer Elemente steht die psychologische Manipulation des Zauberers (z. B. seine Ausführungen zur Unfreiheit des Willens, S. 67) im Vordergrund der Handlung und nimmt circa zwei Drittel des gesamten Textumfangs der Novelle ein. Die Dynamik zwischen Cipolla und dem Erzähler könnte demnach vielmehr eine individuelle oder psychologische Bedeutung zukommen und sollte nicht nur ausschließlich als Kommentar zu politischen Fragestellungen betrachtet werden.
Erörterung der These hinsichtlich des strittigen Aspekts in Bezug auf die Kausalität, nach der die charakterliche Disposition des Ich-Erzählers ein wesentliches Indiz dafür sei, dass die Novelle als politischer Text zu interpretieren sei:
Zustimmung- Der Ich-Erzähler erlebt eine Art von Unterdrückung und Manipulation durch den Zauberer, weshalb er repräsentativ für den durchschnittlichen, machtlosen Bürger stehen könnte, der unter einem autoritären Regime leidet. Die Ohnmacht und mangelnde Handlungsfähigkeit könnten symbolisch dafür stehen, dass die gesamte Bevölkerung wenig Kontrolle über ihre eigenen Schicksale hatte, obwohl sich gebildete Menschen wie der Erzähler bewusst waren, dass sie Opfer von Verführung und politischer Manipulation waren.
- Die starke psychologische Beeinflussbarkeit des Erzählers könnte weiterhin auf die Massenmanipulationen und den Totalitarismus in autoritären Systemen hinweisen. Dadurch kann gezeigt werden, wie individuelle Unsicherheiten in einem politischen Kontext ausgenutzt werden können. Die vom Faschismus ausgehende enorme Verführungskraft und eine damit einhergehende politische Interpretation wären somit belegt.
- Trotz seiner Passivität gelingt es dem Erzähler den verheerenden Faschismus in Italien, welcher kurze Zeit später auch auf das gesamte Europa übertrat, kritisch zu illustrieren und in Bezug auf den Nationalsozialismus sogar vorauszudeuten.
- Man könnte auch eine versteckte Kritik an der Gleichgültigkeit und Passivität der Menschen zu dieser Zeit entdecken. Gleichzeitig handelt es sich bei der Novelle Mario und der Zauberer um eine Warnung des Autors vor dem aufsteigenden Faschismus. Der Erzähler, der selbst nicht aktiv wird, sich jedoch generell skeptisch zeigt, könnte repräsentativ für die Zerrissenheit und Unsicherheit vieler Menschen im Faschismus stehen.
- Der Erzähler in der Novelle ist nicht zwangsläufig widerstands- und machtlos. Im Text gibt es einige Hinweise darauf, dass er eine gewisse innere Stärke und Widerstandsfähigkeit aufweist. Doch selbst wenn der Erzähler in der Novelle hauptsächlich als willensschwach dargestellt werden würde, könnte die Novelle trotzdem Aussagen über politische Strukturen machen.
- Die Kausalität der These lässt sich somit deutlich infrage stellen, da die individuelle Perspektive enorme Abweichungen zur gesellschaftlichen Analyse aufweist. Die Machtlosigkeit könnte als spezifisches Charakteristikum bzw. typische Verhaltensart für den Erzähler interpretiert werden, ohne auf eine allgemeine politische Absicht oder Botschaft abzuzielen. Der Fokus auf die politische Interpretation sollte damit unabhängig von einer Einzelperson gesehen werden und beruht auf breiteren historischen und gesellschaftlichen Kontexten und nicht lediglich auf der Analyse einer einzigen Figur.
- Dazu passt auch, dass die charakterliche Disposition nicht zwingend eine politische Botschaft vermitteln muss, sondern auch als bloßes Mittel zur Erkundung psychologischer, individueller Themen wie Freiheit, moralische Verantwortung und eigener Wille dienen könnte. Thomas Mann hat die Charaktere seiner Novelle mehrdimensional und facettenreich gestaltet. Dementsprechend sollten sie auch von den Leser*innen nicht ausschließlich als politische Repräsentationen betrachtet werden.
Schluss
- Wie gesehen, sprechen viele Argumente dafür, der These von Regine Zeller zuzustimmen. Demnach kann die Persönlichkeitsstruktur des Erzählers in der Novelle Mario und der Zauberer bestätigt werden. Die charakterliche Disposition wird weiterhin von Thomas Mann bewusst funktionalisiert und als repräsentativ für gesellschaftliche Tendenzen betrachtet. Die Widerstands- und Machtlosigkeit des Erzählers in Verbindung mit seiner Beeinflussbarkeit durch den Zauberer liefern somit einen wichtigen Ansatzpunkt für eine politische Deutung und Interpretation der Novelle.
- Dagegen kann man jedoch einwenden, dass die Annahme aufgrund der Charakterisierung des Erzählers kein ausreichendes Indiz für die Behauptung ist, dass die Novelle als politischer Text zu lesen ist. Die kausale Logik lässt sich also anzweifeln und somit kann auch die Eindeutigkeit einer politischen Lesart durchaus infrage gestellt werden.
- Insgesamt ist es wichtig, sowohl die unterstützenden als auch ablehnenden Argumente zu berücksichtigen und die Novelle Mario und der Zauberer im Kontext von Thomas Manns Absicht und der politischen Lage zu betrachten. Die Erörterung zeigt, dass Literatur nicht selten einen Raum für Mehrdeutigkeit und Vielschichtigkeit besitzt und sich je nach individueller Lesart auch unterschiedliche Interpretationsansätze eröffnen können.