Vorschlag A – Karies

Karies ist eine der bekanntesten Erkrankungen der Zähne. Sie entsteht, wenn Bakterien, die im Zahnbelag enthalten sind, über einen längeren Zeitraum Zucker aus der Nahrung in Säure umwandeln. Die Säure greift den Zahnschmelz an und zerstört den Zahn allmählich, wenn er nicht gereinigt oder behandelt wird.
Für das Entstehen von Karies spielt es eine große Rolle, welche Art von Zucker den Bakterien vorliegt. Isomaltulose wird als zahnfreundlich eingestuft, da dieser Zucker nicht wesentlich von den Bakterien der Mundflora genutzt wird. Neben Zucker können auch sogenannte saure Lebensmittel für den Erhalt der Zahnsubstanz ein Problem darstellen.
Durch den Einsatz von fluoridhaltigen Zahnpflegemitteln kann Abhilfe geschaffen werden, da einer Kariesanfälligkeit der Zähne entgegengewirkt und eine lokale Schutzwirkung erreicht wird.
Ist ein Zahn von Karies betroffen, so können die kariösen Stellen vom Zahnarzt mechanisch abgetragen werden. Um die dadurch entstandenen „Löcher“ bzw. die fehlenden Stellen auszubessern, verwendet man zum Beispiel sogenannte Kompositfüllungswerkstoffe, die umgangssprachlich kurz als „Füllung“ bezeichnet werden.
Kompositfüllungswerkstoffe sind Materialien, die vorwiegend aus zwei Komponenten bestehen: einer organischen Phase und einer anorganischen Phase. Um diese Phasen dauerhaft zu verbinden, werden in Kompositfüllungswerkstoffen zusätzlich noch Haftvermittler eingesetzt. Einer der bekanntesten Haftvermittler ist das sogenannte 3-Methacryloxypropyltrimethoxysilan.
1.1
Isomaltulose (Material 1) ist ein Disaccharid, in dem je ein Molekül \(\alpha\)-D-Glucose und ein Molekül D-Fructose (in der Fünf-Ring-Struktur) über eine \(\alpha\)-1,6-glycosidische Bindung verknüpft sind.
Zeichne die \(\alpha\)-D-Fructose in der Haworth-Projektion (Fünf-Ring-Struktur).
Entwickle die Haworth-Projektion für die Ringform des Disaccharids Isomaltulose.
Erläutere die Bildung des Halbacetals anhand des Ringschlusses der Glucose sowie die Bildung des Acetals durch die Reaktion von \(\alpha\)-D-Glucose mit \(\alpha\)-D-Fructose und benenne den Reaktionsmechanismus, der zur Bildung des Halbacetals führt.
(11 BE)
1.2
Aus der Isomaltulose wird der Zuckeraustauschstoff Isomalt (Material 1) hergestellt.
Formuliere – ohne namentliche Zuordnung – jeweils die Strukturformel für die beiden Stereoisomere Glucose-1,6-mannit und Glucose-1,6-sorbit.
Erläutere die Bildung sowie den Unterschied in den Strukturen dieser beiden Produkte und deren stereochemische Beziehung.
Zeige für einen dieser Stoffe anhand der wesentlichen Oxidationszahlen und der Elektronenübergänge, dass es sich bei dessen Bildung um eine Redoxreaktion handelt.
(13 BE)
1.3
Material 2 beschreibt den Aufbau des Zahnschmelzes sowie dessen Beeinflussung durch saure Lebensmittel.
Gib jeweils eine Definition für die Begriffe chemisches Gleichgewicht und pH-Wert an.
Formuliere die Reaktionsgleichung für die vollständige Reaktion von Hydroxylapatit mit \(H^+\)-Ionen aus sauren Lebensmitteln mit Angabe des jeweiligen (Aggregat-)Zustands.
Analysiere die unterschiedliche Toleranz des Zahnschmelzes bezüglich der in Material 3 dargestellten Lebensmittel und erklären Sie diese auch mithilfe von Material 2.
(11 BE)
1.4
Eine bestimmte handelsübliche Zahnpasta für Erwachsene weist einen Fluorid-Ionen-Anteil von \(1400\,\text{mg}\) pro \(\text{kg}\) Zahnpasta auf. Die Fluorid-Ionen liegen in Olaflur (Material 4) gebunden vor. Zum Zähneputzen soll eine erbsengroße Menge auf die Zahnbürste aufgetragen werden.
Berechne mithilfe von Material 4 die Stoffmenge an Olaflur, die in einem erbsengroßen Stück Zahnpasta \((\)entspricht einer Masse von \(0,25\,\text{g})\) enthalten ist.
(4 BE)
1.5
Material 5 zeigt die Strukturformel des Haftvermittlers (3-Methacryloxypropyltrimethoxysilan) im Kompositfüllungswerkstoff. Dieses Molekül enthält als Besonderheit ein Silicium-Atom, das Bindungen ähnlich wie Kohlenstoff-Atome eingehen kann. Ein Strukturelement des Haftvermittlers ist die Silicium-Verbindung Trimethoxysilan.
Material 6 gibt Informationen zu organischen Silicium-Verbindungen und beschreibt einen möglichen Herstellungsprozess für Trimethoxysilan.
Formuliere für die Reaktion bei der Herstellung von Trimethoxysilan die Reaktionsgleichung in Strukturformeln und benenne den Reaktionstyp.
Beschreibe allgemein das Prinzip einer Polykondensation und formuliere einen möglichen Strukturformelausschnitt aus einem Silikon-Polymer, das aus Dimethylsilanol hergestellt wird.
(5 BE)
1.6
Der Haftvermittler (3-Methacryloxypropyltrimethoxysilan, Material 5) ist in der Lage, die einzelnen Phasen des Kompositfüllungswerkstoffes (Material 7) dauerhaft miteinander zu verbinden. Um seine Wirkung entfalten zu können, wird der Haftvermittler zunächst hydrolysiert, d.h. mit Wasser umgesetzt. Dabei werden im Molekül die Methoxy-Gruppen gegen Hydroxy-Gruppen ausgetauscht, wodurch die chemisch aktive Form des Haftvermittlers entsteht.
Formuliere die Strukturformel der chemisch aktiven Form des Haftvermittlers und erkläre die Wirkung dieser Struktur als Haftvermittler unter Einbeziehung ihrer funktionellen Gruppen und Mehrfachbindungen.
(6 BE)

Material 1

Herstellung von Isomaltulose und Isomalt

hessen chemie abi lk 2023 a1 1
Isomalt ist ein Gemisch, das zu gleichen Teilen aus zwei Verbindungen besteht: Glucose-1,6-mannit und Glucose-1,6-sorbit. Diese beiden zueinander stereoisomeren Verbindungen entstehen, indem die Carbonyl-Gruppe der Isomaltulose (Kettenform) im Rahmen einer katalytischen Hydrierung reagiert und an dem betroffenen Kohlenstoff-Atom eine Hydroxy-Gruppe entsteht.

Material 2

Hydroxylapatit-Gleichgewicht im Zahnschmelz

Der Zahnschmelz bildet die äußere Schicht der Zähne und besteht zu etwa \(97\,\%\) aus dem Mineral Hydroxylapatit, \(Ca_5(PO_4)_3(OH),\) das dieser Schicht seine besondere Härte verleiht. Durch den in der Mundhöhle enthaltenen Speichel kommt es an der Oberfläche des Zahnschmelzes zu einem ständigen Abbau (Demineralisation) und Aufbau (Mineralisation) von Hydroxylapatit, was durch das folgende Gleichgewicht beschrieben werden kann:
\(Ca_5(PO_4)_3OH\,_\text{(s)}\) \(\rightleftharpoons\) \(5\,Ca^{2+}\,_\text{(aq)} + 3\,PO_4^{3-}\,_\text{(aq)} + OH^-\,_\text{(aq)}\)
Aufgrund der Ionenzusammensetzung des Speichels kommt es üblicherweise nicht zu einem Auflösen der harten Schmelzschicht und das Gleichgewicht liegt auf der linken Seite.
Nach dem Konsum von säurehaltigen Getränken bzw. Nahrungsmitteln kann es im Speichel, der üblicherweise pH-Werte im neutralen bis schwach sauren Bereich aufweist, zu einem Absenken des pH-Werts kommen.
Die zusätzlichen \(H^+\)-Ionen setzen in der Regel eine Auflösung des Hydroxylapatits in der äußeren Zahnschmelzschicht in Gang, indem sie mit dem Hydroxylapatit reagieren. In dieser Gleichgewichtsreaktion werden Calcium-Ionen freigesetzt und es entstehen Hydrogenphosphat-Ionen und Wasser.

Material 3

Einfluss verschiedener saurer Lebensmittel auf die Oberfläche des Zahnschmelzes

Der negative Einfluss auf das Hydroxylapatit in der Oberfläche des Zahnschmelzes ist nicht allein vom pH-Wert des konsumierten Lebensmittels abhängig. Manche sauren Lebensmittel werden je nach ihrer Zusammensetzung unterschiedlich gut vom Zahnschmelz „toleriert“.
Sinkt der pH-Wert nach Verzehr eines sauren Lebensmittels unter den für dieses Lebensmittel typischen kritischen pH-Wert \((pH\,_\text{krit}),\) so erfolgt eine Auflösung des oberflächlichen Zahnschmelzes.
\(\color{#ffffff}{\text{Lebensmittel}}\) Cola Eistee Joghurt
\(\color{#ffffff}{pH\text{-Wert}}\) \(2,5\) \(2,9\) \(3,9\)
\(\color{#ffffff}{c(Ca^{2+})}\)
\(\color{#ffffff}{\text{[mmol/L]}}\)
\(1,1\) \(0,5\) \(43,3\)
\(\color{#ffffff}{c(PO_4^{3-})}\)
\(\color{#ffffff}{\text{[mmol/L]}}\)
\(5,0\) \(0,1\) \(34,3\)
\(\color{#ffffff}{pH\,_\text{krit}}\)
\(\color{#ffffff}{\text{(kritischer pH-Wert)}}\)
\(5,1\) \(6,2\) \(3,9\)
Die Einheit \(\,\text{mmol}\) steht für Millimol, d.h. \(10^{–3} \,\text{mol}.\)

Material 4

Fluorid-Verbindungen zum Erhalt des Zahnschmelzes

Zur Kariesprophylaxe werden einer Zahnpasta unter anderem Fluorid-Verbindungen zugesetzt. Diese Stoffe setzen unter den im Mund herrschenden Bedingungen ihre Fluorid-Ionen frei. Neben Natriumfluorid zeigt besonders auch das seit 1966 eingesetzte Olaflur besondere Wirksamkeit.
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Olaflur
Die von den Fluorid-Verbindungen frei gesetzten Fluorid-Ionen bilden zusammen mit im Speichel enthaltenen Calcium- und Phosphat-Ionen das Mineral Fluorapatit, \(Ca_5(PO_4)_3F,\) dessen Anwesenheit nach jüngeren Erkenntnissen wiederum die Mineralisation von Hydroxylapatit im Zahnschmelz beschleunigt.

Material 5

Strukturformel des Haftvermittlers (3-Methacryloxypropyltrimethoxysilan)

hessen chemie abi lk 2023 a1 3
Hinweis
Die Gruppe \(–OCH_3\) wird als Methoxy-Gruppe bezeichnet.

Material 6

Organische Silicium-Verbindungen

Silane:
In Analogie zur homologen Reihe der Alkane bezeichnet man unverzweigte oder verzweigte Silicium-Wasserstoff-Verbindungen als Silane. Einfachster Vertreter der Silane ist das Monosilan \((SiH_4).\)
Monosilan \((SiH_4)\) wird unter Katalysatoreinfluss mit Methanol umgesetzt, wobei Trimethoxysilan und ein weiterer Stoff entstehen.
Silanole:
In Analogie zur homologen Reihe der Alkanole bezeichnet man Silicium-Verbindungen, die Hydroxy-Gruppen am Silicium-Atom gebunden haben, als Silanole.
Silikon-Polymere:
Silanole mit zwei Hydroxy-Gruppen am Silicium-Atom wie z. B. das Dimethylsilanol neigen zu Polykondensationen, wobei Silikon-Polymere entstehen.
Im Grundgerüst der Silikon-Polymere wechseln sich Silicium-Sauerstoff-Bindungen ab.
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Dimethylsilanol

Material 7

Kompositfüllungswerkstoffe

Kompositfüllungswerkstoffe bestehen mindestens aus zwei Komponenten.
Die organische Phase enthält Monomere zur Herstellung eines Kunststoffs.
Häufig werden Moleküle verwendet, die gemäß folgendem Schema aufgebaut sind:
hessen chemie abi lk 2023 a1 5
„R“ steht in der Moleküldarstellung für ein organisches Verbindungsstück.
Die Monomere dieser Phase werden mithilfe eines Starters, z. B. eines Peroxids, unter Einwirkung von UV-Licht zur Reaktion gebracht.
Die anorganische Phase wird auch als Füllkörper bezeichnet und besteht aus vielen Partikeln, die die Füllung widerstandsfähiger machen. Die Partikel bestehen in den meisten Fällen aus Quarz und sind hinsichtlich der Oberflächenstruktur im Folgenden vereinfacht dargestellt:
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