Die Industrialisierung veränderte viele Bereiche des Lebens. Im 19ten Jahrhundert entstanden neue Hierarchien in der Gesellschaft und der Tagesablauf ganzer Familien änderte sich grundlegend. Viele Neuerungen von damals sind immer noch Teil unseres Lebens. Welche Entwicklungen damals angestoßen wurden, beschreiben wir in diesem Skript.
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Veränderungen in der Familie
Abb. 1: Erziehung mit dem Rohrstock
Vor der Industrialisierung bewirtschafteten Familien generationenübergreifend einen Hof oder arbeiteten gemeinsam in einer eigenen Werkstatt. Nach der Bauernbefreiung und der Einführung der Gewerbefreiheit, zogen immer mehr Bauern in die Städte und suchten Arbeit in den neuen Fabriken.
Diese Entwicklung sorgte dafür, dass der vorherige Familienverband aufgelöst wurde. Eltern und teilweise auch die Kinder gingen als anonyme Arbeiter in den Fabriken einer Beschäftigung nach. Kinder in glücklichen Umständen wurden zur Schule geschickt und dort auf den späteren Eintritt ins Berufsleben vorbereitet. Neben dem Erlernen von Lesen, Rechnen und Schreiben, stand Gehorsam weit oben auf dem Stoffplan. Der Lehrer durfte Kinder sogar schlagen, eine traurige Entwicklung die in Deutschland erst 1980 gesetzlich abgeschafft wurde. Die Schule war im 19ten Jahrhundert bei vielen Familien eine verhasste Einrichtung, nicht aufgrund der Prügelstrafe, sondern weil die Kinder während der Schulzeit nicht arbeiten konnten.
Rangordnung in den Fabriken
Auch die Eltern mussten in den Fabriken ihren Vorgesetzten absoluten Gehorsam erweisen. In Fabrikordnungen, wie in Abbildung 2, wurde festgelegt, dass Ungehorsame fristlos gekündigt werden konnten. An der Spitze der Firma stand der Unternehmer. Ursprünglich war er der Eigentümer und Gründer des Betriebs. Er war im Besitz der Produktionsmittel, das heißt der Rohstoffe, Maschinen, Werkzeuge und dem nötigen Kapital. Die ersten Unternehmer erwirtschafteten Gewinne, die sie bis in die höchsten Kreise der Gesellschaft brachten. In Abbildung 3 seht ihr die herrschaftliche Villa der Unternehmerfamilie Krupp aus Essen.
Abb. 2: Regeln gab es viele
Abb. 3: Villa Hügel in Essen, erbaut 1873.
Menschen, die ihre Arbeit überwiegend mit den Händen erledigten, wurden als Arbeiter bezeichnet. Sie waren häufig ehemalige Handwerker oder kamen vom Land. Was sie vereinte? Sie besaßen keine Werkzeuge oder Maschinen und hatten lediglich ihre Arbeitskraft anzubieten. Waren sie körperlich nicht mehr in der Lage zu arbeiten, war ihr Leben quasi beendet. Die Arbeiter bildeten eine neue Klasse und stellten zahlenmäßig zwar die größte Bevölkerungsgruppe dar, jedoch erhielten sie dennoch kein gesellschaftliches Gehör. 1867 veröffentlichte Karl Marx sein Hauptwerk "Das Kapital", worin er die kapitalistische Gesellschaft kritisierte und die Arbeiter aufforderte, sich zu organisieren.
Der Unternehmer konnte bei dem fortschreitenden Wachstum seiner Firma nicht alle Aufgaben übernehmen. Ingenieure entwickelten neue Projekte, Zeichner fertigten technische Pläne an und Buchhalter überprüften die Kosten. Angestellte hatten einen höhere Ausbildung als Arbeiter und stellten das Bindeglied zwischen Unternehmer und Arbeiter da. Grob seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts wurden solche "Kopfarbeiter" als Angestellte bezeichnet.
Technischer Fortschritt
Abb. 4: Straßenbahn von Siemens & Halske, 1881
In dem Tempo, wie sich die Technik entwickelte, wuchsen auch die Städte heran. Berlin hatte 1855 450.000 Einwohner, 1876 waren es schon 980.000 Menschen und 1900 hatte sich die Bevölkerungszahl auf 1.890.000 beinahe verdoppelt. Vor allem in den Städten kam der technische Fortschritt zur Geltung.
Es wurde heller in den Städten, bereits 1826 wurde in Berlin die Gasbeleuchtung eingeführt. Ein weiteres Kind der Industrialisierung ist die elektrische Straßenbahn. Sie verdrängte Pferde und Kutschen aus dem öffentlichen Raum und beschleunigte die städtische Fortbewegung.
Die erste elektrische Straßenbahn der Welt begann ihren Betrieb 1881 in Berlin und ist in Abbildung 4 zu sehen. Nachdem in Berlin nun alle Voraussetzungen gegeben waren, um einen schönen Feierabend zu erleben, fand 1895 die erste Kinovorführung statt.
Der technische Fortschritt führte leider auch dazu, dass Kriege brutaler und das Töten leichter wurde.
Mit der Erfindung des Maschinengewehrs im Jahre 1861 wurde das Geschehen auf den Schlachtfeldern der Erde noch verhängnisvoller als zuvor. Der Amerikanische Bürgerkrieg (1861-65) gilt als der erste industrielle Krieg, mit 620.000 getöteten Soldaten.
Es gab keinen Bereich des Lebens, der nicht von der Industrialisierung erfasst wurde. Neue Institutionen, wie Schule oder Straßenbahn, wurden eingeführt und begleiten uns nach wie vor. Zum Glück sind viele Regeln aus der Industrialisierung nicht mit in unsere moderne Zeit gekommen. Das Arbeiter nichts zu sagen haben, Kinder arbeiten müssen und in Europa mit Maschinengewehren Krieg geführt wird gehört zu unserem Glück der Vergangenheit an.
Abb. 5: Die Gatling Gun feuert bis zu 200 Schuss pro Minute
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Public Domain, bearbeitet von SchulLV 2016.
https://upload.wikimedia.org /wikipedia/commons/thumb/3/31 /Villa_H%C3%BCgel%2C_ Essen%2C_20071222.jpg /1280pxVilla_H%C3%BCgel%2C_ Essen%2C_20071222.jpg - Villa Hügel Luftbild, Dr.G.Schmitz, CC BY-SA 3.0.
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