Industrialisierung in Deutschland
Während in England schon die Schlote rauchten und die Spinnmaschinen surrten war es in dem Gebiet des heutigen Deutschlands noch recht ruhig. Das damalige Deutsche Reich war im 18ten Jahrhundert in über 300 einzelne Herrschaftsgebiete aufgeteilt und durchzogen von Grenzen und Zollschranken, die den Warenfluss eindämmten. Erst im frühen 19ten Jahrhundert näherten sich die Staaten einander an. Parallel dazu entstand die sogenannte „fertigende Industrie“.
In der Abbildung 1 erkennt man, was für ein Flickenteppich an Kleinstaaten in Deutschland zu finden war.
Gründe für die langsame Industrialisierung
Die deutsche Bevölkerung bestand zum Ende des 18.Jahrhunderts zu 80% aus unfreien Bauern. Die Äcker waren im Besitz weniger Landadliger, die fortschrittskeptisch waren und die Macht über ihre Bauern hatten. Selbst wenn ein Bauer oder eine Bäuerin in eine Stadt geflüchtet wäre, hätte er oder sie dort wahrscheinlich keine Möglichkeit gehabt zu leben und zu arbeiten. Handwerker waren in Zünften organisiert, die sich nach außen abschotteten um ihre Stellung und ihren Absatzmarkt zu behaupten.
Ein Hindernis war der Mangel an gemeinsamen Maßeinheiten. In Württemberg wurde Tuch in Fuß und Ellen vermessen und verkauft, in Bayern dagegen in Zoll und Ruten. Darüber hinaus wurde eine andere Währung benutzt, was den Handel erschwerte. Erst 1834 wurde durch die Gründung des deutschen Zollvereins ein einheitliches Wirtschaftsgebiet aus 18 Staaten und 21 Millionen Einwohnern geschaffen. In der Abbildung 1 erkennt man, was für ein Flickenteppich an Kleinstaaten in Deutschland zu finden war.
Abb. 1: Der fehlende Nationalstaat behinderte die wirtschaftliche Entwicklung.
Wege in die Zukunft
Im Deutschen Bund setzte die Industrialisierung nicht flächendeckend ein. Es entstanden vom Staat geförderte Fortschrittskerne. In Gebieten wie dem Saarraum und dem Ruhrgebiet setzte die Industrielle Revolution aufgrund der leicht abbaubaren Rohstoffe verhältnismäßig früh ein. Industrien, die anfangs für besonders viel Wirtschaftswachstum sorgten, waren der Bergbau, die Maschinenherstellung und die Eisenbahn. Da diese Industrien ab den 1840er-Jahren soviel Eigendynamik entwickelten, gelten sie als Schlüsselindustrien für die Industrialisierung. Der Bau von Eisenbahnen steigerte so zum Beispiel die Wirtschaftsleistung in der jeweiligen Region. Denn verbesserte Transportbedingungen und die Vergrößerung des Absatzmarktes erhöhten die Produktivität. Daher war die Fertigstellung der ersten Bahnstrecke in Deutschland ein Ereignis, das für den wirtschaftlichen Fortschritt stand. In Abbildung 2 seht ihr deren Eröffnung im Dezember 1835.
Abb. 2: Der "Adler" genannte Zug verkehrte täglich zwischen Fürth und Nürnberg.
Die wirtschaftliche Förderung der deutschen Teilstaaten beruhte teilweise auch auf militärischem Interesse. Denn wirtschaftliche Stärke ließ sich in Form von Kanonen und Gewehren in politische Stärke ummünzen.
Bauernbefreiung
Die mehr als hundert Jahre dauernde Ablösung der persönlichen Verpflichtungen der Bauern gegenüber ihren Grund- und Leibherren vorwiegend im 18. und 19. Jahrhundert.
Die mehr als hundert Jahre dauernde Ablösung der persönlichen Verpflichtungen der Bauern gegenüber ihren Grund- und Leibherren vorwiegend im 18. und 19. Jahrhundert.
Grundlegend für das gelingen der Industriellen Revolution war die zahlreiche Verfügbarkeit an Arbeitern. Fast alle neuen Industriearbeiter waren ehemalige Bauern, die durch die Bauernbefreiung mobil wurden. In Preußen wurde bereits 1807 die Leibeigenschaft abgeschafft und 1810 wurde mit der Gewerbefreiheit neue Berufsfelder geöffnet.
Obwohl die Industrialisierung in Deutschland im Vergleich zu England später einsetzte, konnte sie aufgrund des großen Binnenmarktes und der bereits zur Verfügung stehenden Technik rasches Wachstum aufweisen. Wichtig für diese Entwicklung waren die Bauernbefreiung und die staatliche Förderung der Wirtschaft. Nun rauschte auch durch deutsche Landen die Eisenbahn und das Klappern der Mühlen wurde vom Klappern der Hämmer in den Fabriken ersetzt.
Bildnachweise [nach oben]
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/ commons /d/d2/ZollvereinBIG_1834.png - Der Deutsche Zollverein 1834-1919, Pischdi , CC BY-SA 3.0, bearbeitet von SchulLV 2016.
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