Sturm und Drang
Epochenmerkmale
Auf einen Blick
- Zeit: 1760-1790
- Geschichtlicher Hintergrund: Aufklärung erfasst das Bürgertum, das sich zum selbstbewussten Stand entwickelt; Kunst und Kultur kommen im Volk an.
- Autoren: Junge Schriftsteller (z.B. Goethe, Schiller und Lenz), die gegen die Ständegesellschaft und die Strenge der Aufklärung anschreiben, die sie als gekünstelt empfinden.
- Leitsatz: Emotio statt ratio = das Gefühl anstelle der Vernunft
- Merkmale: Freie Form, emotionale Sprache, Betonung des natürlichen Genies und seiner Freiheit
- Themen: Liebe, Ständegesellschaft, Künstlertum, Freiheit, Trauer
Definition
Der Sturm und Drang ist eine literarische Strömung, die in die Zeit zwischen 1760 und 1790 fällt. Sie entwickelt sich als Nebenströmung zur literarischen Aufklärung. Ihr Name gründet sich auf das Drama Sturm und Drang von Friedrich Maximilian Klinger aus dem Jahre 1776. Ihre Hochphase erlebte die Strömung zwischen dem Erscheinen von Johann Gottfried Herders Fragmenten über die neuere deutsche Literatur 1767 und 1785. Sie endet mit der Hinwendung Schillers und Goethes zur Weimarer Klassik. Geschichtlicher HintergrundIm 18. Jahrhundert war das Heilige Römische Reich deutscher Nation nur noch ein unzusammenhängendes Gebilde aus unabhängigen Staaten ohne eine gemeinsame Politik und gemeinsame Interessen. Dementsprechend herrschte überall in Deutschland große Willkür, denn ein Fürst durfte über seinen Staat und seine Einwohner frei verfügen, da die Ständegesellschaft noch galt (Klerus, Adel und der dritte Stand waren durch Vorrechte voneinander stark abgegrenzt). Nach den Jahren der Krise, die auf den 30-jährigen Krieg von 1618-48 gefolgt waren, befand sich Europa jedoch im wirtschaftlichen Aufschwung. Das Bürgertum profitierte von diesem Aufschwung. Als Leistungsträger und Finanzier der Fürsten wollte es auch mehr politische Rechte! Das aufgeklärte Bürgertum sah sich als gebildeten und durch sorgsame Erziehung gesitteten Stand an und grenzte sich damit vom Adel ab, dessen Prunk und Ungerechtigkeit es zunehmend kritisierte. Der Anspruch des Bürgertums war also, sich durch Bildung und moralische Sittsamkeit zu emanzipieren.
In dieser Zeit nahm auch das Interesse der Gesellschaft insgesamt an Kunst und Kultur zu. Durch den verbesserten Buchdruck konnte sich der Mittelstand Bücher leisten. Religiöse und wissenschaftliche Fachbücher wurden allmählich von poetischer Literatur abgelöst. Neben erzieherischen Werken gab es nun auch Unterhaltungsliteratur, die aber von der kulturellen Elite verachtet wurde.
Literarische Merkmale
- Autoren: Der Sturm und Drang wurde durch junge Schriftsteller getragen, die mit dem Zustand der deutschen Literatur unzufrieden waren.
- Geniekult: Shakespeare und der Geniekult prägten den Kunstbegriff, weg von Normen hin zu individuellen Texten, weg von Regeln hin zum Talent.
- Individualität: Der Mensch als Individuum und sein natürliches Vermögen werden bewusster wahrgenommen. Das Individuum strebte nach Freiheit von den Schranken der Gesellschaft, Gefühl müsse sich eben nicht der Vernunft unterordnen.
- Vernunft + Gefühl: Die Vernunft als Mittelpunkt der Aufklärung wurde nicht komplett abgelehnt, aber um den Aspekt des Gefühls erweitert.
- Neue Themen: Gefühl, Leid, Liebe, Empfindsamkeit, Verlust der Selbstkontrolle und Freiheit. Diese neuen Maxime scheitern an der Gesellschaft und enden meist tragisch.
- Protagonisten: Einzelgänger, Künstler und Ausgestoßene.
- Sprache: Die Sprache war emotional, grob, ausschmückend und bildete Emotionen ab, erlaubte also das Natürliche.
- Form: Die Form wurde etwas freier und Dramen sowie Lyrik entfernte sich von den Vorgaben der Regelpoetik.
Naturbegriff
Auf einen Blick: Natürliches Empfinden
In der Epoche des Sturm und Drang ist sicherlich Johann Wolfgang von Goethe der bedeutendste Autor. Er arbeitete in den 1770er Jahren eng mit Johann Gottfried Herder zusammen. Herder ist besonders für seine Arbeit mit Volksliedern und der urtümlichen Sprache bekannt. Goethe lies sich dadurch inspirieren und gestaltete die bekannten Themen, Liebe, Gesellschaft und Natur in neuen Formen um. Besonders die Hymne als Form wird verwendet, um die schöpferische Kraft Gottes in der Natur darzustellen. Freie Rhythmen, Ellipsen, Neologismen und viel sprachlicher Pathos sind wichtige Merkmale dieser Texte.
- Aufklärung: Natur als Objekt wissenschaftlicher Betrachtung.
- Neu: Natur als subjektiv bestimmte Naturerfahrung bis zur Naturbegeisterung.
- Der Mensch ist ein Teil der Natur.
- Naturbilder veranschaulichen menschliche Empfindungen.
- Die wilde Natur hat Vorzug vor der kultivierten Natur.
- natura naturata (Natur ist Objekt) UND natura naturans (Natur ist schöpferisches Subjekt).
- Geniekult: Autor als Schöpfer, der, ähnlich der Natur, Dichtung schafft.
Die Erlebnislyrik als Teilkategorie der Naturlyrik des Sturm und Drang umfasst genau diesen Aspekt. Der Leser soll das Erlebnis des lyrischen Ichs so nachvollziehen, dass er es nacherleben kann. Es wird nicht persönliches geschildert, sondern eine allgemeingültige Erfahrung thematisiert.
Pantheismus:
Der Begriff bedeutet frei übersetzt „Allgottlehre“. Diese philosophisch-religiöse Tendenz entstammt der Antike und Goethe war einer seiner Anhänger. Dieser Philosophie nach bilden die Welt und Gott eine Einheit, wodurch Gott in allen Aspekten, in der Natur, in den Lebewesen und im Menschen steckt. Eine Vermittlung Gottes über die Instanz Kirche wird dadurch überflüssig. Das leben in und mit der Natur und die Erfahrung der Natur wird wichtiger, umgesetzt durch Wanderungen, Reisen und Naturbeobachtungen.
Beispiele
Maifest (Johann Wolfgang Goethe, 1771)
Abb. 1: Maifest, Johann Wolfgang Goethe (1771)
- Mailied, Ludwig Christoph Heinrich Hölty (1776)
- Der Zürchersee, Friedrich Gottlieb Klopstock (1750)
- Auf dem See, Johann Wolfgang Goethe (1775)
- An den Mond, Johann Wolfgang Goethe (1777)
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