Gotthold Ephraim Lessing

Steckbrief


Abb. 1: Lessing, 1767/1768.
(Brot-)Beruf:
  • Lessing studierte zunächst auf den Wunsch seines Vaters hin Theologie. Später wechselte er dann zur Medizin, wo er seinen Magisterabschluss machte.
  • Ab 1748 arbeitete er als Redakteur verschiedener Zeitschriften in Berlin.
  • 1760: Anstellung als Regimentssekretär in Breslau.
  • 1767-1769: Arbeit als Dramaturg im Hamburger Nationaltheater.
  • Ab 1770: Arbeit als Bibliothekar in Wolfenbüttel.

Biographie

Lessing wuchs in einer sehr religiösen Familie auf. Seine Mutter war Pfarrerstochter und sein Vater ein strenger, lutherisch-orthodoxer Diakon, dementsprechend wurde Lessing zum Glauben hin erzogen. Der Vater nahm Schulden auf, um Gotthold und seinen Brüdern eine gute Ausbildung zu finanzieren. Er sorgte auch dafür, dass Lessing 1741 auf der Fürstenschule „St. Afra“ in Meißen aufgenommen wurde, nachdem er die Aufnahmeprüfung bestanden hatte.
Im Unterricht zeigte er sehr gute Leistungen und fügte sich gut in das Leben der Eliteschule ein. Der Lehrplan vermittelte hauptsächlich Sprachen, weshalb die Literatur nur in der knappen Zeit außerhalb des Unterrichts Platz fand.
Aufgrund seiner guten Leistungen wurde Lessing bereits 1746 entlassen. Parallel dazu hatte er bereits sein erstes Stück Der junge Gelehrte fertig gestellt, welches 1748 erfolgreich uraufgeführt wurde. Nach Abschluss der Schule begann er in Leipzig zu studieren: zunächst Jura, dann Medizin in Wittenberg. Während seines Studiums hörte er nie auf zu schreiben und stellte weitere Werke fertig.
1748 zog Lessing nach Berlin, um seinen Gläubigern aus Leipzig zu entkommen. Hier arbeitete er als Redakteur verschiedener Zeitschriften. Nach dieser Unterbrechung seines Studiums machte er 1752 seinen Magister der „Sieben Freien Künste“ in Wittenberg. Danach lebte er weiter in Berlin und veröffentlichte verschiedene Werke.
Seine erste richtige Festanstellung erhielt er 1760, bedingt durch den Siebenjährigen Krieg, als Regimentssekretär in Breslau. Er machte dies nicht aus Überzeugung, sondern aus finanziellen Gründen. Außerdem bot ihm der Beruf genug Freizeit, um seinen privaten Interessen nachzugehen.
Nach seiner Zeit in Breslau kehrte er 1765 kurz nach Berlin zurück, zog aber 1767 weiter nach Hamburg, wo er eine Anstellung als Dramaturg erhielt. Hier arbeitete er jedoch nur knappe drei Jahre, da das Theater aus finanziellen Gründen wieder schließen musste. Während seiner Zeit in Hamburg lernte er auch seine zukünftige Frau, die noch verheiratete Eva König, kennen.
1770 erhielt er eine Anstellung als Bibliothekar in Wolfenbüttel. Diese Anstellung wurde jedoch so schlecht bezahlt, dass die Hochzeit mit der mittlerweile verwitweten Eva König, mit welcher er sich 1771 verlobte, aufgeschoben werden musste. Erst 1776 fand die Hochzeit statt.
Am Weihnachtstag 1777 bekamen sie ihr erstes und einziges Kind, welches innerhalb des darauffolgenden Tages verstarb. Wenig später, im Januar 1778, starb auch die Mutter, Lessings Frau.
Währenddessen kam es zum Höhepunkt der Aufklärung. Nach der Veröffentlichung einiger Texte, welche Lessing aus dem Nachlass Hermann Samuel Reimarus‘ erhalten hatte, geriet er als Herausgeber in die Kritik. Als Antwort darauf verfasste er mehrere Verteidigungsschreiben. Die politischen Auswirkungen waren immens. Die Auseinandersetzung mit der Kirche fand öffentlich auf deutsch statt und wurde erst durch ein herzogliches Publikationsverbot beendet.
Diesen Konflikt behandelte Lessing auch in einem seiner letzten großen Werke, Nathan der Weise, welches er 1779 veröffentlichte. Zu dieser Zeit verschlechterte sich sein gesundheitlicher Zustand zunehmend. Er starb am 15. Februar 1781 und wurde in Braunschweig auf dem Magnifriedhof beigesetzt.
Quellen: Metzler Autoren Lexikon; Deutsche Literaturgeschichte. Von den Anfängen bis zur Gegenwart.

Werk und Einordnung

So unstet Lessings Leben war, mit ständigem Wechsel von Wohnort, intellektuellem Umfeld und Schriftmedien, so vielfältig ist sein Werk zu nennen, das aus zahlreichen literarischen Gattungen besteht.
Als Dichter und Literaturkritiker schrieb Lessing gegen Vorurteile und plädierte für Mündigkeit und Toleranz. Er kritisierte die klassizistische Regelpoetik Johann Christoph Gottscheds und erneuerte das deutsche Schauspiel. Mit Miß Sara Sampson (1755) begründete er das bürgerliche Theater im deutschen Kulturraum, denn es handelte sich um das erste deutschsprachige bürgerliche Trauerspiel.
In Emilia Galotti (1772) verarbeitete Lessing die vom römischen Historiker Livius (wohl 59 v. Chr. - um 17 n. Chr.) erzählte Legende um die Römerin Virginia, wiederum in Form des bürgerlichen Trauerspiels. Der dargestellte Konflikt zwischen Adel und Bürgertum, zwischen feudaler Willkür und engen bürgerlichen Vorstellungen von Moral, Ehre und Pflicht endet in der Katastrophe. Emilias Angst vor der Unmittelbarkeit des Gefühls, ihre Furcht, von den unkalkulierbaren Kräfte in ihrem eigenen Innern überwältigt zu werden, führt letztlich zu ihrem Tod. Da sie in christlich-bürgerlichen Sittlichkeitsvorstelllungen erzogen wurde - im Gegensatz zur Libertinage (moralische Freizügigkeit, Zügellosigkeit) des Hofes -, erblickt sie in der eigenen Sinnlichkeit eine Gefahr. So erwehrt sie sich des Annäherungs-versuchs des Prinzen zunächst durch Flucht ins Gebet nach Abtötung der Sinne. Allerdings muss sie nach der Ermordung ihres Verlobten einsehen, dass die Leidenschaften ihren Ursprung im „Blut“ haben, also in der menschlichen Natur und, psychologisch gedeutet, in verdrängten Wünschen. Unmündig und durch ihre Erziehung nicht in der Lage, eine unabhängige, eigene Entscheidung zu treffen, gerät sie zum Spielball ihrer Eltern und des Prinzen. Der Konflikt mündet in willentlicher Gewalt gegen sich selbst statt in der unkalkulierbaren, sanften Gewalt der Verführung. Dem Vater ist die Tugend seiner Tochter bzw. die Familienehre wichtiger als ihr Leben, was einen Rückfall in voraufklärerisches Denken bedeutet.
Wegen des noch heutzutage teilweise vorhandenen archaischen Ehrendenkens und sich immer wieder ereignender „Ehrenmorde“ besitzt das Thema eine ungebrochene Aktualität.
Lessing war freilich nicht nur Schriftsteller und Kritiker, sondern gleichzeitig der bedeutendste deutsche Aufklärer. Auch international war er vernetzt und begegnete 1750 Voltaire, einem der führenden französischen Aufklärer.
Wie sein Kollege westlich des Rheins war er ein Anhänger der „natürlichen Religion“ (auch „Vernunft-religion“ genannt und mitunter als „Deismus“1 bezeichnet, was jedoch nicht genau dasselbe ist). Er kritisierte den Offenbarungsglauben und die Buchstabenhörigkeit im Christentum bzw. in den drei monotheistischen Weltreligionen. Der Verbalinterpretation der Bibel setzte er den „Geist der Religion“ entgegen. In seiner Schrift Über die Entstehung der geoffenbarten Religion (wohl 1762/63) formulierte er seinen Standpunkt so: „Einen Gott erkennen, sich die würdigsten Begriffe von ihm zu machen suchen, auf diese würdigsten Begriffe bei allen unsern Handlungen Rücksicht nehmen, ist der vollständigste Inbegriff aller natürlichen Religion.“
Lessing ging allerdings davon aus, auch die geoffenbarten, d. h. die positiven (gegebenen/vorhandenen) Religionen hätten einen wahren Kern. Dadurch, dass ihnen ein Religionsstifter als Sprachrohr Gottes Autorität verleihe, werden sie jedoch nicht wahrer: „Alle positiven und geoffenbarten Religionen sind folglich gleich wahr und gleich falsch.“
Die philosophische Auseinandersetzung Lessings mit der Religion erreichte ihren Höhepunkt in der Herausgabe der Sieben Fragmente eines Ungenannten in den Jahren 1774 bis 1778. Die Fragmente beruhten auf der bis dahin unveröffentlicht gebliebenen Apologie oder Schutzschrift für die vernünftigen Verehrer Gottes von Hermann Samuel Reimarus (gest. 1768) und lösten den sogenannten Fragmentenstreit aus. Es ist zu beachten, dass Lessing das deistische Werk publizierte, aber nicht geschrieben hatte, sodass unklar bleibt, inwieweit er die darin vertretenen Positionen teilte. Diese hatten es für die damalige Öffentlichkeit in sich.2
Von theologischer Seite erntete Lessing scharfen Widerspruch. Zu seinem Hauptgegner geriet der Hamburger Pastor Johann Melchior Goeze, gegen den er als Anti-Goeze benannte Schriften verfasste. Hatte der Aufklärer mit der Veröffentlichung der Fragmente die heftigste theologische Kontroverse im deutschsprachigen Raum des 18. Jahrhunderts angestoßen und der modernen Bibelkritik ihren Weg bereitet, kam ihn die Chose teuer zu stehen. Seine Zensurfreiheit wurde 1778 widerrufen, außerdem war ihm fortan verboten, über Religion zu publizieren.
Dennoch ließ er von seinem Thema nicht ab und führte die Diskussion in Nathan der Weise (1779, Uraufführung zwei Jahre nach seinem Tod, 1783) weiter, seinem letzten Werk. Hierbei handelt es sich um ein dramatisches Gedicht bzw. ein Ideendrama. Neben der kontextuellen Einbettung in den Fragmentenstreit ist Nathan der Weise vor dem Hintergrund geschichtstheologischer bzw. geschichtsphilosophischer Spekulationen Lessings zu lesen. Auch hatte 1775 eine Italienreise den deutschen Dichter inspiriert. In Livorno, einer Hafenstadt bei Pisa, hatte er die dortige liberale Verfassung kennengelernt, welche die Juden gleichstellte.
So geriet sein Drama zum nachdrücklichen Plädoyer für Humanismus und Toleranz. Besonders berühmt wurde es wegen seiner Ringparabel, welche in Nathans Antwort auf die Frage Sultan Saldins, welche der drei monotheistischen Weltreligionen (Judentum / Christentum / Islam) er als Jude für die wahre halte, die Toleranzidee intelligent und pointiert formuliert. Deshalb zählt das Drama mit seiner Parabel als Schlüsseltext der deutschen Aufklärung. Während es einerseits dem konkreten historischen Kontext des 18. Jahrhunderts entspringt - mit der Figur des Nathan setzte Lessing seinem Freund Moses Mendelssohn, dem Begründer der jüdischen Aufklärung, übrigens ein literarisches Denkmal -, erhält es andererseits aufgrund der andauernden religiösen Konflikte in der Welt an Aktualität.
Lessings Werke waren maßgeblich für die Epoche der Aufklärung und zeigen das steigende Selbstbewusstsein eines sich formierenden, sich als fortschrittlich wahrnehmenden Bürgertums. Nach dem Vorbild Frankreichs und Englands machte Lessing den Bürger „tragödienfähig“. Der Adel und dessen Unterhaltung rückten aus dem Zentrum des Schauspiels und der freie Schriftsteller trat an die Stelle des Hofdichters. Lessing setzte sich in seinen Werken das Ziel, tiefe Emotionen im Publikum auszulösen. Der Zuschauer sollte sich selbst in den Stücken wiederfinden, sich mit dem Helden identifizieren können. Das gelang Lessing, indem er realistische Figuren erschuf. Seine Figuren waren weder rein gut noch rein böse. Außerdem legte er den Fokus auf das Handeln und Denken des Menschen und nicht mehr auf die Person an sich.
Einerseits der Aufklärungsliteratur zuzuordnen, war Lessing zugleich Wegbereiter des Sturm und Drang.
1Deismus ist ein Gottesglaube, der sich nach eigenem Selbstverständnis aus rationalen Begriffen herleitet - im bewussten Gegensatz zur Offenbarungsreligion. Gott wird als erste Ursache, als Ursprung des Universums betrachtet (oder als „Uhrmacher“, wie sich Leibniz und Voltaire ausdrückten). Im weiteren Verlauf der Geschichte habe er nicht mehr eingegriffen, denn das widerspreche der menschlichen Freiheit. Seitdem würden die Naturgesetze gelten, welche nicht durch Wunder oder Offenbarung aufgehoben werden können.
2Reimarus behauptete, Wunder gebe es nicht und Jesus und seine Apostel seien wie sämtliche Propheten Betrüger, die nur vorgeben, Wunder zu tun. Er stellte die moralische Integrität der biblischen Personen radikal infrage und schrieb, die Apostel hätten die Geschichte und Lehre Jesu wissentlich verfälscht. Die Auferstehungsgeschichte bewertete er als widersprüchlich. Mitnichten sei Jesus im Wortsinne der Gottessohn gewesen.

Form und Sprache

Die Form des bürgerlichen Trauerspiels fordert die gleiche Ranghöhe von Held und Zuschauer, was vor allem die Identifikation des Publikums mit dem Helden (oder der Heldin) erleichterte.
Beispielhaft sei dies anhand der Emilia Galotti illustriert. Lessing stellte sich in bewussten Gegensatz zur haute tragédie der klassizistischen französischen, adligen Tragödie: Nicht der zeremonielle Charakter des Hofes steht im Mittelpunkt, sondern die Selbstverständigung des Bürgers.
Bei dem Drama handelt es sich um ein zuvorderst politisches und zugleich aufklärerisches Stück. In einer einfachen Sprache geschrieben, sollte es nicht nur für Hochgebildete verständlich sein. Zu diesem Zweck setzt Lessing verschiedene Stilmittel ein. Er verwendet wiederholt Pausen und greift auf rhetorische Fragen zurück, wie auch auf Ausrufe und Monologe. Oftmals greifen Rede und Gegenrede ineinander über, entweder durch Unterbrechung und Beendigung eines Gedankens, durch Wiederaufnahme eines Wortes oder durch Wiederholung eines zuvor gesprochenen Wortes.
Trotz seiner Kritik am (französischen) Regeldrama hielt Lessing viele formale Konventionen ein. Emilia Galotti vollzieht sich klassisch in fünf Akten (Exposition - Komplikation - Peripetie - Retardation - Katastrophe), zudem wird die Einheit von Ort, Zeit und Handlung verfolgt sowie die Dreipersonenregel (nicht mehr als drei Personen in einem Auftritt) weitgehend eingehalten. Das Innovative ist, dass Lessing die Ständeklausel mit seiner bürgerlichen Tragödie aber durchbricht.
Ein Beispiel für ein offenes Drama, das sich von überkommenen Konventionen befreit, ist Goethes Faust. Der Tragödie erster Teil (1808), das jedoch bereits gänzlich den Literaturepochen Sturm und Drang sowie Weimarer Klassik zuzuordnen ist.
Im Rahmen seiner schriftstellerischen Tätigkeit stellte Lessing auch theoretische Reflexionen an. Seine Dramentheorie sieht vor, den Zuschauer nicht unmittelbar von seinen Leidenschaften zu reinigen (griechisch kátharsis, „Reinigung“). Vielmehr soll ein Drama Mitleid erregen und dadurch zur Besserung des Publikums beitragen. Der moralische Mensch ist für Lessing daher der mitleidige Mensch.
In Nathan der Weise verankerte Lessing den Blankvers im deutschen Drama - im Gegensatz zur Prosa früherer Stücke. Beim Blankvers handelt es sich um fünffüßige reimlose Jamben (x ‘x), die im englischen Drama insbesondere durch Shakespeare fortwährend gepflegt worden waren.
Lessings letztes Stück ist durch häufige Enjambements charakterisiert sowie durch Satzbrüche (Anakoluthe). Erkenntnis erwächst nicht mehr aus monologischer Belehrung, sondern vollzieht sich im Dialog. Diese sind lebhaft und emotional, wobei häufig Ausrufe und rhetorische Fragen als Stilmittel zum Einsatz kommen.

Wichtige Werke

1747 Damon, oder die wahre Freundschaft
1747/54 (UA 1748) Der junge Gelehrte
1749/54 (UA 1766) Die Juden (Lustspiele)
1755 Miß Sara Sampson (Bürgerliches Trauerspiel)
1767 Minna von Barnhelm (Lustspiel)
1772 Emilia Galotti (Bürgerliches Trauerspiel)
1774-78 Fragmente eines Ungenannten [= Reimarus] (Bibel- und Religionskritik)
1778 Anti-Goeze (Theologische Streitschriften)
1779 (UA 1783) Nathan der Weise (Dramatisches Gedicht)
Daneben schrieb Lessing weitere Dramen, Gedichte, Fabeln sowie ästhetische, theologiekritische und philosophische Schriften. Die Dramen Samuel Henzi und D. Faust blieben Fragmente.
Bildnachweise [nach oben]
[1]
Public Domain.