Einführung

Abb. 1: „Darf es ein Kaffee sein, liebes Elektron?“

Noch nie hat jemand ein Elektron gesehen oder gar einen Kaffee mit ihm getrunken. Diese mysteriösen Teilchen verbergen sich und sind viel zu klein, als dass unser Auge sie wahrnehmen könnte. Niemand weiß, wie sie aussehen, welche Form und Farbe sie haben und woher sie kommen. Dennoch wissen wir, was diese Teilchen auszeichnet. Wir wissen bereits ziemlich viel über sie und steuern sie so häufig, dass es diesen kleinen Teilchen eigentlich schwindlig werden müsste.

Die Form der Wechselwirkungen mit Elektronen ist dabei unglaublich vielfältig. Ganze Teilgebiete der Physik, wie die Elektrizität und der Elektromagnetismus, kommen ohne das Elektron nicht aus. Fließt beispielsweise eine Elektron durch einen Leiter, so erzeugt es ein Magnetfeld. Anders herum erzeugt ein angelegtes magnetisches Wechselfeld einen elektrischen Strom, ohne den wiederum die leckere Tomatensauce auf dem Induktionsherd kalt bliebe und nur halb so gut schmecken würde.
Auch die elektromagnetische Strahlung beruht auf Wechselwirkungen mit Elektronen. Beispielsweise emittiert ein Elektron eine elektromagnetische Welle, wenn es seine Geschwindigkeit ändert, also beschleunigt oder abgebremst wird. So entsteht beispielsweise die Röntgenstrahlung, die deinem Arzt zeigen kann, ob der Arm gebrochen oder nur verstaucht ist.

In unserem folgenden Experiment möchten wir mehr über diese kleinen Teilchen erfahren. Wir wollen versuchen zu messen, wie schwer bzw. leicht ein einziges von ihnen ist.

Hierfür benutzen wir ein sogenanntes Fadenstrahlrohr. Es ist aufgebaut aus einer Elektronenstrahlröhre, die in einer gasgefüllten Glaskugel endet. Am Anfang der Röhre, an einer so genannten Glühkathode, werden Elektronen aus einem Draht herausgelöst. Es bildet sich um diesen eine Elektronenwolke. Diese wird mit Hilfe einer zwischen der Anode und Kathode angelegten Spannung Richtung Glaskugel beschleunigt. Durch ein Loch in der Anode kommt ein dünner Strahl an Elektronen in die gasgefüllte Kugel, wo sie das Gas entlang des Strahls zum Leuchten versetzen.

Abb. 2: In der Glühkathode wird ein Elektronenstrahl erzeugt.

Der Grund für das Leuchten ist, dass wenn eine Elektron auf ein Gasmolekül trifft, es dort mit den Valenzelektronen wechselwirkt. Wie beim Billard kann es ein anderes Elektron aus seiner vorgesehenen Bahn schießen. Genauer gesagt, überträgt das anfliegende Elektron einen Teil seiner kinetischen Energie auf das Elektron des Moleküls. Diese Energie macht es für dieses Elektron möglich, sich auf einer höheren Bahn zu befinden. Das Molekül wird als angeregt bezeichnet. Nach einer kurzen Zeit möchte das Elektron allerdings wieder in seinen Grundzustand übergehen, fällt auf die untere Bahn zurück und emittiert die kinetische Energie des angeflogenen Elektrons in Form von Licht. Es entsteht also ein Leuchten entlang des Elektronenstrahls.

Abb. 3: Ein freies Elektron schlägt ein
Valenzelektron aus seiner Bahn.
Abb. 4: Das Molekül befindet sich in einem
angeregten Zustand.
Abb. 5: Das Valenzelektron fällt auf seine
Bahn zurück und emittiert dabei Strahlung.

Vervollständigt wird der Versuchsaufbau mit einem Helmholtz-Spulenpaar. Dieses erzeugt ein homogenes Magnetfeld in der Glaskugel, sobald es von einem Strom \(I\) durchflossen wird.
Verblüffenderweise ändert sich die Form des leuchtenden Strahls. Er ist nun kreisförmig. Da die Wechselwirkung der Elektronen für das Leuchten verantwortlich ist, müssen die Elektronen auf eine Kreisbahn abgelenkt worden sein.

Abb. 6: Der fertige Versuchsaufbau - ein Fadenstrahlrohr.
Abb. 7: Nach Anlegen des Magnetfeldes befinden sich die Elektronen auf einer Kreisbahn. Hier zum Bildnachweis

Elektronenmasse

Was geht hier vor? Wieso bewegen sich plötzlich die Elektronen auf einer Kreisbahn und wie soll man nur durch Anlegen eines Magnetfeldes die Masse der Elektronen bestimmen können?
Lass uns diesen Versuch von ganz vorne betrachten.

\(\blacktriangleright\) Beschleunigung der Elektronen

Zu Beginn werden in einer evakuierten Glasröhre Elektronen aus der Glühkathode herausgelöst und bilden dort eine Elektronenwolke. Sie sind dort kurzzeitig in Ruhe. Wird dann eine Beschleunigungsspannung \(U_0\) angelegt, bildet sich ein elektrisches Feld aus und die Elektronen werden aus der Ruhe zur Anode hin beschleunigt. In dieser befindet sich ein kleines Loch, durch das nur wenige Elektronen kommen. Es ist so klein, dass sich ein Elektronenstrahl bildet.

Abb. 8: An der Glühkathode entsteht eine Elektronenwolke.
Abb. 9: Die Elektronen fliegen zur Anode und es bildet sich ein Elektronenstrahl aus.

Bei der Beschleunigung der Elektronen verrichtet das elektrische Feld die Arbeit \(W_{el}\). Sie wird in kinetische Energie \(W_{kin}\) umgewandelt. Da die Röhre evakuiert ist, geht hierbei keine Energie verloren. Es gilt also der Energieerhaltungssatz:

\(\begin{array}{rl}
    W_{el}&=W_{kin}
    \\
    \underbrace{e}_{konstant} \cdot \underbrace{U_0}_{bekannt}&=\dfrac{1}{2} \cdot \underbrace{m_e}_{gesucht} \cdot v^2
    \end{array}\)

Die Ladungen \(e\) und die Masse \(m_e\) der Elektronen sollten bei dieser Betrachtung konstant bleiben. Die Spannung \(U_0\) wird von uns angelegt und gesteuert. Lediglich die Geschwindigkeit \(v\) ist von diesen Rahmenbedingungen abhängig und ist, nach obiger Umrechnung, folgendermaßen gegeben:

\(v^2= \dfrac{2 \cdot e \cdot U_0}{m_e}\)

Mit dieser Geschwindigkeit werden die Elektronen in das Magnetfeld die Glaskugel geschossen.

\(\blacktriangleright\) Bewegung der Elektronen im Magnetfeld

Das von dem orangenen Helmholtz-Spulenpaar erzeugte magnetische Feld ist in die Zeichenebene hinein gerichtet. Dies kannst du an den Kreuzen in den grauen Kreisen der rechten Abbildung entnehmen. Die linke Abbildung zeigt das Fadenstrahlrohr von vorne. Man sieht hier ebenfalls, dass die Feldlinien des Magnetfeldes durch die Glaskugel nach hinten weisen. Auch fällt auf, dass das Magnetfeld in dem Bereich, wo sich die Elektronen befinden, als nahezu homogen aufgefasst werden kann.

Abb. 10: Richtung der Feldlinien beim Betrachten des Fadenstrahlrohres von vorne.
Abb. 11: Die Elektronen werden vom Magnetfeld auf eine Kreisbahn gezwungen.

Durch den Verlauf der Glasröhre im rechten Bild werden die Elektronen nach oben abgelenkt und sollten eigentlich geradeaus weiter fliegen. Diese Flugbahn ist von den hellen Elektronen dargestellt. Durch das Anlegen des Magnetfeldes allerdings werden die Elektronen auf eine Kreisbahn mit dem Radius \(r\) abgelenkt. Dies geschieht auf Grund der Lorentzkraft \(F_L\). Weiteres hierzu findest du im PhysikLV-Skrip Bewegung und Verhalten im B-Feld.
Bewegen sich die Elektronen nach oben und ist das Magnetfeld in die Zeichenebene hinein gerichtet, so sorgt die Lorentzkraft \(F_L\) dafür, dass diese nach rechts abgelenkt werden. Dies geht aus der Linken-Hand-Regel hervor:

Abb. 12: Die Linke-Hand-Regel veranschaulicht die Richtung der Lorentzkraft.

Da sich die Bewegung der Elektronen bei Punkt 1 nach oben (lila) und nach rechts (braun) überlagern, ergibt sich die kommende Bewegungsrichtung (grau) des Elektrons aus der Vektoraddition dieser zwei Pfeile. In Punkt 2 ist die Bewegungsrichtung der Elektronen nun die vormals grün markierte Richtung. Da sich diese Richtung allerdings erneut mit der Lorentzkraft \(F_L\) überlagert, fliegt das Elektron nach rechts. Bei Position 3 wird die vorher grün markierte kommende Bewegungsrichtung des Elektrons nun blau dargestellt und es erfolgt wieder eine Ablenkung durch die Lorentzkraft \(F_L\). Dieser Vorgang setzt sich in jedem Moment fort und führt dazu, dass sich das Elektron auf einer Kreisbahn (punktiert) verweilt.

Abb. 13: Die Vektoraddition der aktuellen Bewegungsrichtung der Elektronen (blau) und der Lorentzkraft (braun) ergibt die kommende Bewegungsrichtung (grün) der Elektronen.

Die Lorentzkraft \(F_L\) (rot) hält also das Elektron auf der Kreisbahn und ist immer nach innen gerichtet. Sie wirkt hier als Zentripetalkraft \(F_Z\) (siehe PhysikLV-Skript Rotationen).
Laut diesem Skript ist die Formel für die Zentripetalkraft \(F_Z\):

\(F_Z=m \cdot \dfrac{v^2}{r}\)

Laut dem gleichnamigen PhysikLV-Skript lautet eine Formel für die Lorentzkraft \(F_L\), die die magnetische Flussdichte \(B\) enthält, folgendermaßen:

\(F_L=q \cdot v \cdot B\)

Da wir nur Elektronen als Ladungsträger betrachten und diese die Elementarladung \(e\) aufweisen, verändert sich die Formel für die Lorentzkraft \(F_L\) wie folgt:

\(\begin{array}{rl}
    F_L&=q \cdot v \cdot B
    \\
    &=e \cdot v \cdot B
    \end{array}\)

Da hier die Lorentzkraft \(F_L\) der Zentripetalkraft \(F_Z\) entspricht, gilt das Kräftegleichgewicht wie folgt:

\(\begin{array}{rl}
    F_Z&=F_L
    \\
    m_e \cdot \dfrac{v^2}{r}&=e \cdot v \cdot B
    \end{array}\)

Betrachten wir diese Gleichung, in der wir die Masse \(m_e\) eines Elektrons bestimmen möchten.
Der Radius \(r\) des Leuchtkreises ist konstant und an Hand von Markierungen auf der Glaskugel gut ablesbar. Die magnetische Flussdichte \(B\) bleibt über den Versuch lang gleich und wird durch das Helmholtz-Spulenpaar gesteuert. Die Ladung \(e\) der Elektronen ist ebenfalls konstant.
Der Betrag der Geschwindigkeit \(v\) der Elektronen im Fadenstrahlrohr ist seit dem Durchfliegen durch die Anode gleich. Er ändert sich auch in der Glaskugel nicht, da die Elektronen eine gleichförmige Kreisbewegung durchführen (siehe PhysikLV-Skript Rotation). Die bereits bestimmte Gleichung für die Geschwindigkeit \(v\) kannst du nun in die obige Gleichung einsetzen und kannst sie folgendermaßen umformen:

\(\begin{array}{rl}
    m_e \cdot \dfrac{v^2}{r} &= e \cdot v \cdot B
    \\
    m_e \cdot \dfrac{2\cdot e \cdot U}{m_e \cdot r}&=e \cdot B \cdot \sqrt{\dfrac{2 \cdot e \cdot U}{m_e}}
    \\
    \dfrac{4 \cdot U^{2}}{r^2} &= B^2 \cdot \dfrac{2 \cdot e \cdot U}{m_e}
    \\
    U&= \dfrac{2 \cdot e \cdot B^2 \cdot r^2}{4 \cdot m_e}
    \\
    m_e &= \dfrac{ e \cdot B^2 \cdot r^2}{2 \cdot U}
    \end{array}\)

Wie bereits oben erwähnt, sind die Größen \(e\), \(B\), \(r\) und \(U\) über den Versuchszeitraum hinweg konstant und ihr Betrag hängt alleine vom Versuchsaufbau ab.
In zahlreichen Versuchen wirst du feststellen können, dass der Wert der Elektronmasse \(m_e\) immer gleich bleibt. Sie ist eine Naturkonstante und besitzt den folgenden Wert:

\(m_e=9,1 \cdot 10^{-31}\,\text{kg}\)

\(\blacktriangleright\) Beispiel: Massenverhältnisse

Was kann man sich nun unter so einer kleinen Zahl vorstellen? Stellen wir uns das Verhältnis einer Elektronenmasse und eines Kilogramms, also z.B. einer 1L-Flasche Wasser vor.
Das Verhältnis eines Elektron zu einer Flasche Wasser beträgt dann gerade die Masse des Elektrons. Also:

\(\dfrac{m_{e}}{m_{\text{1L-Flasche}}}=9,1 \cdot 10^{-31}\,\text{kg}\)

Lässt sich dieses Verhältnis anschaulich auf der Erde darstellen?

Nicht auf der Erde, doch in unserem Sonnensystem. Betrachten wir unsere Sonne. Sie besitzt die Masse

\(m_{Sonne}=2 \cdot 10^{30}\,\text{kg}\).

Damit besitzen fünf Sonnen eine Masse von

\(m_{5\,\,Sonnen}=10 \cdot 10^{30}\,\text{kg}=1 \cdot 10^{31}\,\text{kg}\).

Also selbst fünf Sonnen besitzen erst eine Masse von \(1 \cdot 10^{31}\,\text{kg}\). Um also das gleiche Verhältnis zu erhalten, wie das von einer 1L-Flasche Wasser zu der Masse eines Elektrons, benötigen wir die Masse von 45 Sonnen:

\begin{array}{rl} m_{5\,\,Sonnen}&= 1 \cdot 10^{31}\,\text{kg} \\ m_{45\,\,Sonnen}&=9 \cdot 10^{31}\,\text{kg} \end{array}

Vergleichen wir dieses Ergebnis ebenfalls mit einer 1L-Wasserflasche, so erhalten wir folgendes Verhältnis:

\(\dfrac{m_{\text{1L-Flasche}}}{m_{\text{45 Sonnen}}}=9 \cdot 10^{-31}\,\text{kg}\)

Das Massenverhältnis eines Elektrons zu einer 1L-Wasserflasche ist also in etwa so groß, wie das Verhältnis von dem Gewicht einer Wasserflasche zu 45 Sonnenmassen.

Bildnachweise [nach oben]
[1]
Public Domain.
[2]
Public Domain.
[3]
© 2015 - SchulLV.
[4]
© 2015 - SchulLV.
[5]
© 2015 - SchulLV.
[6]
Public Domain.
[7]
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Cyclotron_motion_wider_view.jpg - Cyclotron motion wider view, Marcin Bialek, CC BY-SA.
[8]
© 2015 - SchulLV.
[9]
© 2015 - SchulLV.
[10]
© 2015 - SchulLV.
[11]
© 2015 - SchulLV.
[12]
© 2015 - SchulLV.
[13]
© 2015 - SchulLV.